Ausstellung über Elsa Brändström: Der „Engel von Sibirien“
Die Humanistin Elsa Brändström (1888 – 1948) und ihr herausragendes Engagement für Flüchtlinge stehen im Mittelpunkt dieser Ausstellung im Bonner Frauenmuseum. 40 Künstlerinnen der GEDOK Bonn und Leipzig, der 1926 gegründeten Künstlerinnenvereinigung, haben an dieser Hommage mitgewirkt. Und natürlich geht es dabei nicht nur um die Vergangenheit, um das Grauen in den Gefangenenlagern in Sibirien während des 1. Weltkriegs, sondern um das Flüchtlingselend in der Gegenwart. Diesen Bogen schlagen die Künstlerinnen in der Ausstellung, die im nächsten Jahr weiter wandert nach Leipzig und Grimma.
„Liebesgaben“ in grauen Rucksäcken
Da ist zum Beispiel die Installation „Liebesgaben“ von Christine Theile: In Reih und Glied stehende graue Rucksäcke. Solche „Liebesgaben“ (es waren mehrere hunderttausend) ließ die Rotkreuz-Schwester Elsa Brändström für die überwiegend deutschen Kriegsgefangenen packen und in den Güterwaggons entlang der transsibirischen Eisenbahnstrecke verteilen. Spenden hatten diese Aktion ermöglicht. Die Filzschuhe, die Handschuhe, Mützen, Löffel, Essschalen, die Strümpfe und das Nähzeug halfen vielen Soldaten beim Überleben.
Oder ein langes Band von Cornelia Enax mit dem Titel „Alles wird gut“. Es zeigt die Arbeit der Schwestern, ihre Ohnmacht angesichts einer Sterblichkeitsrate von zunächst 80 Prozent in den Lagern. Astrid Meiners-Heithausen schlägt den Bogen zur Gegenwart. „Flucht“ heißen ihre großformatigen Bilder, die das Meer als „Grab in der heutigen Zeit“ zeigen und die Angst der Flüchtlinge bei der Ankunft in einer fremden Welt.
Fünfmal für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen
Es gibt auch heute zahllose Helfer, aber keine Elsa Brändström, die damals praktisch im Alleingang russische Generäle dazu brachte, menschenwürdige Zustände in den Lagern zu schaffen, Krankenhäuser mit OP-Sälen einzurichten, Medikamente zu besorgen, Freizeitaktivitäten zuzulassen. Die Sterblichkeitsrate konnte dadurch von 80 auf 18 Prozent gesenkt werden.
Fast sechs Jahre blieb Elsa Brändström in Sibirien. Ein Buch über diese Zeit mit dem nüchternen Titel „Unter Kriegsgefangenen in Russland und Sibirien 1914 - 1920“ machte sie in den zwanziger Jahren weltberühmt. Fünfmal wurde sie für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.
Adolf Hitler, stark beeindruckt vonder hochgewachsenen blonden Schwedin, lud sie zu einem Gespräch ein. Sie telegrafierte mit einem einzigen Wort zurück: „Nein“. Sie heiratete einen deutschen Pädagogikprofessor. 1933 wanderten die beiden in die USA aus. Dort kümmerte sich die Schwedin um Emigranten aus Deutschland, besorgte für sie Bürgschaftenund Arbeit.
„Care“-Pakete nach dem 2. Weltkrieg
Was heute kaum noch jemand weiß: Die „Care“-Pakete, die nach Ende des 2. Weltkrieges in das hungernde Deutschland geschickt wurden und an die sich viele Deutsche, die damals noch Kinder waren, bis heute dankbar erinnern, waren ihr Werk.
Diese „Hommage an Elsa Brändström“, so der Titel, war also gerade in Deutschland überfällig. Denn wahrscheinlich geht die Zahl der Menschen, denen sie im kriegerischen 20. Jahrhundert das Überleben ermöglichte, in die Hunderttausende.
Die von Lesungen und Konzerten begleitete Ausstellung ist in Bonn bis zum 28. Januar zu sehen, wandert dann weiter nach Leipzig (27.2. - 20.3. 2018) und anschließend nach Grimma (22.3. -15.4. 2018)
(† 2023) war freie Journalistin in Bonn und Erhard-Eppler-Biografin.