Kultur

Ausnahmetalent: Zum 125. Geburtstag von Kafka

von Die Redaktion · 4. Juli 2008
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"Kafka ist so eine Art Popfigur", betonte Stach unlängst anlässlich der Berliner Buchpräsentation. - Dennoch gab es bis vor sechs Jahren, als der Autor den ersten Band vorlegte, keine deutsche Kafka-Biographie. Der Literaturwissenschaftler ist das Wagnis eingegangen. Er fragt nach den "Bedingungen für solche genialen Texte". Ihn interessieren die Interaktion zwischen Innen- und Außenwelt, Kafkas persönliche Verstrickungen in seine Zeit. Der Versuchung zur Psychologisierung - die gerade bei Kafka groß sei, wie der Autor einräumt - widersteht er dabei.

Das Auge des Zyklons

Während der erste Band die Jahre 1910 bis 1915 behandelt, beschreibt der zweite Teil die Zeit zwischen 1916 und Kafkas frühem Tod im Jahr 1924. Geplant ist noch ein dritter und letzter Teil der umfassenden Biographie. Der wird sich mit Kafkas Herkunft und Jugend beschäftigen. Für diese Phase im Leben des Schriftstellers hofft Stach auf wichtige Quellen aus dem Nachlass von Kafkas Vertrautem Max Brod.

Der soeben erschienene Band behandelt den Zeitraum, in dem Kafkas Welt sich massiv verändert. Der erste Weltkrieg sei in seinem Leben "das Auge des Zyklons", erläuterte Stach. Kafkas Ersparnisse wurden wertlos. Der Krieg zerstörte wichtige Kontakte und machte seine Hoffnungen nach Berlin zu gehen zunichte.

Die Distanz des Untersuchenden

Auch Kafkas "wichtigste Frauenbeziehung", so Stach, fällt in diese Lebensphase: Das Verhältnis zu Milena Jesenská. Viel Raum widmet der Biograph zudem Kafkas Auseinandersetzung mit dem Judentum. Und er beschreibt Ausbruch und Verlauf der Tuberkulose, an der Kafka 1924, im Alter von nur 40 Jahren, stirbt.

Fast romanhaft schildert Stach das Leben des Schriftstellers in großen Teilen des Buches. Er macht damit die Person Franz Kafka lebendig und die Biographie zu einem Lesevergnügen. Der Autor verliert nie die Distanz des Untersuchenden. All seine Beschreibungen, so szenisch sie auch ausfallen, stützen sich auf gesicherte Quellen.

Eine umfassende Werkbiographie legte Peter-André Alt bereits 2005 vor: "Franz Kafka. Der ewige Sohn". Der Beck-Verlag hat sie zum Kafka-Jubiläum neu aufgelegt.

Rainer Stach: "Kafka. Die Jahre der Entscheidungen", S. Fischer Verlag, 2004, 670 Seiten, 14,90 Euro, ISBN 3-596-16187-8

Rainer Stach: "Kafka. Die Jahre der Erkenntnis", S. Fischer Verlag, 2008, 720 Seiten, 29,90 Euro, ISBN 978-3-10-075119-5

Peter-André Alt: "Franz Kafka. Der ewige Sohn", C.H. Beck Verlag, 2. durchges. Auflage, 2008, 18 Euro, ISBN 978-3-406-57535-8

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