Aus den Erfahrungen einer Generation – ein unfreiwilliger Nachruf

Der Regisseur Thomas Schadt interviewte die außergewöhnliche Frau mehrfach. Entstanden ist eine Reise durch das Leben der Carola Stern.

BdM-Mädchen und Jungmädelführerin, Flucht aus dem Heimatort Ahlbeck vor der heranrückenden Roten Armee, dann Arbeit für die sowjetische Besatzungsmacht in Bleicherode, Lehrerstudentin und SED-Parteischülerin, Arbeit für den amerikanischen Geheimdienst, Flucht vor der Enttarnung nach West-Berlin, Annahme des Namens Carola Stern (bis dahin hieß sie Erika Asmuss), wieder ein Neubeginn, dieses Mal ein dauerhafter - das sind die Fakten.

Das Buch hingegen ist ein sehr persönliches geworden. Bei aller Besonderheit des exemplarischen Lebensweges erfährt der Leser viel über die Bedingungen des Lebens und die Suche einer Generation von Frauen nach Orientierung in Deutschland.

Für den Regisseur, der einer späteren Generation angehört, waren die Gespräche eine Auseinandersetzung mit der Geschichte seines Landes von der Hitler-Zeit über die des geteilten bis zum heutigen vereinten Deutschland. Die offene, nicht beschönigende Sprache der außergewöhnlichen Journalistin und Autorin lässt für ihn den Vergleich mit dem eigenem Umgang mit Geschichte und Erlebtem zu.

Carola Stern war auf der Suche nach verbindender Gemeinschaft, die sie nicht mehr ideologisch geprägt sehen wollte. Vom Werden ihrer Persönlichkeit erzählen auch die vielen Fotos auf ganz eigene Weise.

"Uns wirft nichts mehr um" würde Ende 2005 als Taschenbuch bei Rowohlt neu aufgelegt. Am 19. Januar dieses Jahres starb Carola Stern - zwei Monate nach ihrem 80. Geburtstag. Ihre im Gespräch mit dem Dokumentarfilmer erinnerte "Lebensreise" ist ihr letztes autobiografisches Buch. Es wurde so ungewollt zum Vermächtnis.

Dorle Gelbhaar

Carola Stern "Uns wirft nichts mehr um. Eine Lebensreise",

Aufgezeichnet von Thomas Schadt,

Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2005,

Copyright 2004 by Rowohlt Verlag GmbH,

238Seiten ISBN 978-3-499- 61986-1, 8,90 Euro