Kultur

Aus dem Nachkriegsdeutschland ins junge Israel

von Die Redaktion · 21. März 2007

Thomas Roth vom ARD-Hauptstadtstudio würdigte Degens Leistungen als Schauspieler und Autor. Er gebe seinen Figuren eine gewisse Melancholie, die auch von den "dunklen Kapiteln" dieses Landes herrühre. Trotz dieser Kapitel habe Degen den Weg zurück nach Deutschland gefunden. Umso bestürzender sei es, mit welch "erschreckendem Selbstbewusstsein" alte und neue Nazis heute auftreten und sogar in Landesparlamente einziehen, so Roth.

In "Mein heiliges Land. Auf der Suche nach meinem verlorenen Bruder." setzt Michael Degen die Erzählung seiner bewegenden Lebensgeschichte fort. Nachdem er die Nazi-Herrschaft gemeinsam mit seiner Mutter im Berliner Untergrund überlebt hat, macht er sich 1949 auf die Suche nach seinem Bruder Adolf. Zehn Jahre hat er ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen, denn Adolf gelang 1939 noch rechtzeitig die Flucht aus Deutschland.

Startschwierigkeiten im heiligen Land

Die Suche führt Michael Degen nach Israel. Der junge Staat befindet sich noch im Aufbau und setzt alles daran, das "heilige Land" gegen die arabischen Nachbarn zu verteidigen. Doch Degen präsentiert sich als dickköpfiger Querulant. Er verweigert den Dienst in der Armee und tritt sogar in Hungerstreik um seinem Pazifismus Ausdruck zu verleihen, bis er schließlich vom Wehrdienst befreit wird.

Von nun an setzt er alles daran, seinen Bruder zu finden. Auf der Suche begegnen ihm allerlei faszinierende und vertraute Menschen. Ein dänischer Machal, sein Onkel Klausner, die Verwandte Chawa, ein weiser und liebenswürdiger Großonkel und seine erste Liebe Luba. Mit Hilfe dieser Weggefährten setzt er seine Suche fort.



Gesucht und gefunden


Entgegen jeder Erwartung, die der Untertitel des Buches mit sich bringt, wird seine Suche schon früh vom Erfolg gekrönt. Er findet seinen Bruder, der sich inzwischen Arié nennt, schwer verwundet in einem Lazarett bei Tel Aviv. Doch die Suche nach dem "verlorenen Bruder" ist damit keinesfalls beendet. Denn nach zehnjähriger Trennung beginnen die beiden nun, sich erneut kennen zu lernen.

Auch über das erreichte Ziel hinaus bleiben ihm seine Weggefährten treu und begleiten ihn nun auf dem Weg zu seinem neuen Traum: er möchte Schauspieler werden. Die weitere Geschichte ist geprägt von schmerzhaften Erinnerungen und Konfrontationen, sowie erfolgreichen Zwischenetappen, bis sie schließlich in Berlin endet.



Mittendrin statt nur dabei


"Mein heiliges Land" erzählt Degens Geschichte auf emotional sehr berührende Weise. Das Leid der Familie und des jüdischen Volkes, die emotionale Belastung und die überzeugte Standhaftigkeit des jungen Michael Degen während seiner ersten Tage in Israel und seine Liebe zu seinen Mitmenschen werden so authentisch vermittelt, dass der Leser sich in Degens Gefühlswelt hineinversetzt fühlt. Die detailliert beschriebenen Erinnerungen lassen den Leser in Degens Jugend eintauchen und seine Geschichte hautnah miterleben, was nicht zuletzt an der gewählten Gegenwartsform liegt.

Die Ereignisse und Situationen erscheinen nicht unbedingt überraschend, doch das Buch besticht durch seinen mitreißenden und persönlichen Charakter, der während der gesamten Lektüre allgegenwärtig erscheint. Durch Situationskomik und der entstehenden Einheit aus Wortwahl und Emotionen wirken Degens Erzählungen so lebendig, dass der Lesende sich "mittendrin statt nur dabei" fühlt.

Michael Degen: Mein heiliges Land. Auf der Suche nach meinem verlorenen Bruder. Rowohlt, Berlin 2007. 320 Seiten. 19,90 €. ISBN 978-3-87134-559-3

Felix Eisele

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