Kultur

Auferstehen aus Ruinen

von Lars Haferkamp · 12. Juni 2013

Es ist der grösste und bedeutendste Kulturneubau Deutschlands, von einem "Jahrhundertprojekt" ist die Rede: Bundespräsident Joachim Gauck hat  heute den Grundstein für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses gelegt.

Hinter drei historischen Fassaden des früheren Barockschlosses entsteht das so genannte „Humboldt-Forum“, eine offene Begegnungsstätte internationaler Kunst und Kultur. Unter anderem sollen hier die außereuropäischen Sammlungen der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz gezeigt werden. 

Von einem "Jahrhundertprojekt" sprach Manfred Rettig, Chef der Stiftung Berliner Schloss-Humboldtforum bei der Grundsteinlegung. "Weniger Larmoyanz, mehr Akzeptanz", wünschte sich Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. Für die Bundesregierung legte Bundesbauminister Peter Ramsauer ein klares Bekenntnis zum Schlossbau ab: Dieser sei "unumkehrbar", sagte er an die Adresse der Zweifler und Kritiker. Das Schloss "heilt eine schwere Wunde" im Herzen der Hauptstadt und sei "ein Grund zu Freude".

Schloss-Debatte seit der Wiedervereinigung

Alle Redner einte an diesem Tag vor allem ein Wunsch: Mit der heutigen Grundsteinlegung möge ein Schlusstrich gezogen werden unter eine der längsten kulturpolitischen Debatten des Landes. 

Worum ging es dabei? Über 500 Jahre, von 1443 bis 1950, stand am Berliner Schlossplatz das Residenzschloss der Hohenzollern, der Kurfürsten von Brandenburg, Könige von Preußen und deutschen Kaiser. Bis Walter Ulbricht befahl, dass im Krieg teilzerstörte aber sehr wohl wiederaufbaufähige Schloss zu sprengen. Die DDR-Hymne „Auferstanden aus Ruinen“ sollte für Berlins historisches Zentrum nicht gelten. Zunächst als Aufmarschplatz der SED-Diktatur genutzt, errichtete die DDR hier von 1973 bis 1976 den so genannten „Palast der Republik“, unter anderem Sitz der Volkskammer. Nach der Wiedervereinigung wurde dieser wegen Asbestgefahr geschlossen und abgerissen.

Bis heute können sich DDR-Nostalgiker und Anhänger moderner Architektur mit dem teilweisen Wiederaufbau des Schlosses nicht abfinden. „Das verdammte Schloss“ schimpfte das Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ noch in dieser Woche.

Bundestag entschied mit 2/3-Mehrheit

Ganz so als hätte der Bundestag nicht im Juli 2002 eindeutig und mit überwältigender Mehrheit entschieden: Zwei Drittel der Abgeordneten stimmten nach Aufhebung des Fraktionszwanges für die Wiedererrichtung der historischen Schlossfassaden. Der Gegenantrag für eine moderne Architektur wurde abgelehnt. Stattdessen gab es die Vorgabe für den Architektenwettbewerb drei historische Fassaden wiederherzustellen. Nur die Spreeseite des Schlosses sollte neu gestaltet werden.

Die Kosten für die historischen Fassaden von 80 Millionen Euro sollen durch Spenden aufgebracht werden. 26 Millionen Euro sind bereits zusammengekommen, inklusive bereits erbrachter Leistungen, etwa für die Fassadenrekonstruktion. Ein einziger Spender sorgt dafür, dass das Schloss seine Kuppel zurückerhält.

Merkel verzögerte und verteuerte den Bau

Damit hätte die Sache eigentlich entschieden sein können. Wenn nicht Bundeskanzlerin Angela Merkel im Juni 2010 auf die Idee gekommen wäre, den Baubeginn um Jahre zu verschieben: als Zeichen für den Sparwillen ihrer Regierung. Herausgekommen ist dabei eine Kostensteigerung von 552 Millionen auf jetzt 590 Millionen Euro. Konsequenterweise verzichtete die Kanzlerin heute auf ihre Teilnahme bei der Grundsteinlegung. Stattdessen kam der Bundespräsident, um mit den traditionellen Hammerschlägen auf den Grundstein eine unfallfreie Baustelle und dem Projekt Erfolg zu wünschen. Das wünscht sich auch Berlins Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Er erinnerte daran, dass das Projekt schon einmal "auf der Kippe" gestanden hatte. Wowereit dankte denjenigen in Bundestag und Bundesregierung, die es doch noch möglich gemacht haben.

Geht alles nach Plan, soll der Bau im Jahr 2019 fertig gestellt sein. Vorausgesetzt, Angela Merkel findet nicht wieder einen Grund, die Bauarbeiten zu behindern.

Autor*in
Lars Haferkamp
Lars Haferkamp

ist Chef vom Dienst und Textchef des vorwärts.

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