Kultur

Auf Spurensuche

von ohne Autor · 1. Mai 2008

Was ist Elite? Diese Frage ließ die Journalistin Julia Friedrichs nicht los. Um eine Antwort zu finden, machte sie sich auf den Weg. Ein Jahr lang reiste sie quer durch Deutschland und besuchte die Elite - oder genauer die Anstalten, in denen der elitäre Nachwuchs geformt wird. Die Ergebnisse ihrer Suche hat sie in Reportageform in ihrem Buch "Gestatten: Elite" vorgelegt.

Entstanden ist ein Sammelsurium der Sonderheiten. Friedrichs traf junge Menschen, deren Leben im Viertelstundenrhythmus durchgetaktet ist, für die es normal ist, zwölf bis vierzehn Stunden am Tag zu arbeiten und deren Eltern 45 000 Euro für ihr Studium bezahlen. Der Leser wird mitgenommen auf eine Reise von der "European Business School" im Rheingau bis zum Internat Schloss Salem am Bodensee - am Ende gelangt er sogar ins amerikanische Harvard. Zwischendurch macht er mit der Autorin immer wieder Zwischenstation in ihrer Kreuzberger WG, die im Gegensatz zur Elite-Welt so herrlich normal wirkt.

Enttäuschte Suche

Friedrichs Schilderungen sind sehr persönlich. Der Leser bekommt ein ums andere Mal den Eindruck, sie habe Mitleid mit den jungen Menschen, die sie trifft. Müssen sie nur einer bestimmten Vorstellung entsprechen oder wollen sie wirklich, was sie propagieren? Obwohl die skeptische Grundstimmung der Autorin stets mitschwingt, geht sie unvoreingenommen an die Vertreter der Elite heran, wahrt jedoch meist eine kritische Distanz. Ihre zunächst etwas naiv anmutende Suche nach der Führungsgruppe, die so schlecht doch nicht sein kann, da jeder die Wichtigkeit ihres Daseins (man denke nur an den Willen, "Eliteuniversitäten" zu schaffen) betont, wird stets enttäuscht.

Ihr resigniertes Fazit muss also lauten, dass letztlich nicht Leistung darüber entscheidet, wer es in die Chefetagen schafft, sondern Geld, Beziehungen und Habitus. Brauchen wir so eine Elite?

Eine Demokratie braucht Führung

Heinz Verfürth stellt die Daseinsberechtigung von Eliten dagegen zu keiner Zeit in Frage. Die Botschaft seines Buchs "Die Arroganz der Eliten" ist klar: Auch eine Demokratie braucht eine starke Führungsgruppe. Die muss es jedoch richtig machen.

Um seine Meinung zu begründen, widmet der Autor den deutschen Eliten der Vergangenheit von Bismarck bis zu den 68ern einen der drei Abschnitte des Buchs. Dabei geht es ihm jedoch nicht um das Lob dieser über die Jahrzehnte bestehenden Gruppe, sondern um die Beschreibung der Mechanismen ihres Versagens. Dieses hat dem Autor zufolge nicht zuletzt die Katastrophe zweier Weltkriege zu verantworten. Aus der Geschichte lernen, lautet der Impetus.

In den beiden anderen Teilen des Buchs beschreibt Verführt dagegen, wie die aktuellen Eliten immer wieder mit ihrem Handeln scheitern. Sein Hauptkritikpunkt ist die angebliche Unfähigkeit der Eliten, miteinander zu kommunizieren. Dieses Versagen illustriert Verführt eindrücklich anhand einer Vielzahl von Beispielen.

Momentaufnahme der deutschen Elite

Leider gehen dem Autor im Verlauf des Buchs mehr und mehr die Pferde durch und er reiht Thema um Thema augenscheinlich zusammenhangslos aneinander. Das ist schade, denn für den Leser entsteht so der Eindruck, einen Gemischwarenladen vor sich zu haben, in dem die eigentlichen Informationen verloren gehen. Auch das Lesevergnügen leidet darunter.

Dennoch hat Verführt mit seinem Buch eine gute Momentaufnahme der deutschen Eliten vorgelegt. Namhafte Elitenskeptiker kommen zu Wort und werden mit aktuellen Geschehnissen in Beziehung gesetzt. Auch mit seiner eigenen Meinung hält sich der ehemalige Politikredakteur Verführt nicht zurück. Bei aller Elitenverdrossenheit, die aus dem Buch spricht lautet die Botschaft: Es gibt Hoffnung. Allerdings müssen sich die Eliten anstrengen.

Julia Friedrichs: Gestatten: Elite. Auf den Spuren der Mächtigen von morgen, Hoffmann und Campe 2008, 17,95 Euro, ISBN 978-3455500516

Heinz Verfürth: Die Arroganz der Eliten, Gütersloher Verlagshaus 2008, 19,95 Euro, ISBN 978-3579069784

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