Um eines vorweg zu nehmen: "Anleitung zum Männlichsein" ist keine Anleitung zum Macho-Sein, kein Wegweiser zurück ins Patriarchat und auch keine Sammlung plumper chauvinistischer Floskeln.
Der Anspruch der beiden Autoren ist gut gemeint: Männern zu zeigen, wie heute ihre Rolle in Beruf, Beziehung und Familie aussieht - oder besser: wie sie aussehen könnte. Denn die Motivation für ihr
Buch lautet: "Der Mann weiß nicht mehr, was es bedeutet, ein Mann zu sein."
Der Mann ohne Eigenschaft
Die These der Leberts: Während die Frauen in den letzten Jahrzehnten der Emanzipation ihre Rolle in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen und bis ins kleinste Detail durchdiskutiert und
schließlich auch gefunden hätten, hätten die Männer diese Diskussion verpasst. Das Ergebnis sei Verunsicherung über alte und Unklarheit über neue Rollenbilder, kurz: Der "Mann ohne Eigenschaften."
So weit, so gut. Der These selbst kann niemand wirklich widersprechen, die Schlussfolgerung scheint nicht ganz unbegründet. Das Problem der Autoren ist aber: Was die Frauen in rund 100 Jahren
Frauenbewegung erreicht haben, das wollen die Brüder Lebert auf 158 Seiten schaffen - zumindest in Ansätzen.
Nicht mehr als Allgemeinplätze
Dazu reihen sie dutzende kurze Anekdoten von Männern aneinander, die sie einmal kennen gelernt oder von denen sie einmal gehört haben. Aus diesen Anekdoten leitet das Buch - wie es sich für
eine Anleitung gehört - Verhaltenstipps ab, um den "Mann ohne Eigenschaft" zu besiegen.
Keiner der Tipps wirkt übertrieben oder falsch, was auch daran liegt, dass keiner der Tipps wirklich neu ist. Und vor allem ist das, was die Leberts als Lebenshilfen formulieren nicht
wirklich "männlich". Die "Anleitungen zum Männlichsein" sind oft nicht mehr als Allgemeinplätze, nicht mehr als allgemein gültige menschliche Tugenden.
Schon der erste Tipp des Buchs ist dafür ein Prototyp. Sinngemäß lautet er: Zum richtigen Zeitpunkt zu Schweigen, ist eine hohe Kunst. Um dieser Erkenntnis im Sinne ihres Buches mehr Gewicht
zu verleihen, wird bei Andreas und Stephan Lebert aus dem Schweigen ein "männliches Schweigen" - was auch immer es von einem "weiblichen Schweigen" unterscheidet.
Frauen außen vor
Diesen Unterschied - sollte es einen geben - wollen die Autoren auch gar nicht ergründen. Für ihr Buch erlegen sie sich selbst eine strenge Regel auf: Frauen sollen keine Rolle spielen,
möglichst nicht zu Wort kommen. Der Konflikt, der sich daraus ergibt, lässt sich kaum lösen. Wie beschreibt man das angeblich "typisch Männliche", wenn man die Auseinandersetzung mit dem "typisch
Weiblichen" scheut?
Und so hangeln sich Andreas und Stephan Lebert von Anekdote zu Anekdote, reihen einen Tipp zum Männlichsein an den nächsten. Durchaus unterhaltsam und kurzweilig geschrieben, mit einer
gelungenen Mischung von Humor und Ernsthaftigkeit. Streckenweise gelingt den beiden ein Erzählfluss im Stil von Nick Hornby. Langeweile kommt beim Lesen nicht auf. An manchen Stellen bringen die
Leberts den Leser zum Schmunzeln, Lachen oder auch Grübeln. Und vielleicht ist das das Lohnenswerte an ihrem Buch. Der Leser vergleicht die vielen kleinen Geschichten mit seinem eigenen Leben und
beginnt zu reflektieren. Nur ihrem eigentlichen Ziel - das Männlichsein zu definieren - kommen die Autoren keinen Schritt näher.
Bäume und Laternenpfähle
An einer Stelle des Buchs kommt der Physiker Rudolf Mößbauer zu Wort. Sein Tipp an Menschen, die lange Zeit ein Problem umtreibt: Ins Freie gehen und einem Baum oder einem Laternenpfahl das
Problem so lange erklären, bis man selbst klarer sieht. Ein Vorteil dieser Methode sei, so wird der Physiker zitiert, dass man "andere Menschen nicht mit der eigenen ... Unentschlossenheit"
belästige.
"Anleitung zum Männlichsein" ist gut geschrieben, liest sich flüssig und hat interessante Ansätze. Und doch bleibt nach der letzten Seite der Eindruck, dass es vielleicht auch ein
Laternenpfahl getan hätte.
Timm Schneider
Andreas Lebert, Stephan Lebert: Anleitung zum Männlichsein, S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2007, 16,90 Euro, ISBN: 978-3-86610-227-9
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