Die SPD steckt mitten im Diskussionsprozess um ein neues Grundsatzprogramm. Mit dem "Bremer Entwurf" will sie ihr Berliner Programm von 1989 auf einem Parteitag im Oktober 2007 in Hamburg
ablösen. Dass bis dahin noch viel an programmatischer Arbeit zu leisten ist, daran ließ Präsidiumsmitglied Andrea Nahles am Mittwoch in Berlin keinen Zweifel. Die SPD habe bisher eine
Programmdiskussion ohne Diskussion geführt, erklärte sie bei der Vorstellung der "Linken Programmbausteine. Denkanstöße zum Hamburger Programm der SPD", die sie gemeinsam mit Detlev Albers
herausgegeben hat.
Denkanstöße sind notwendig
Auf 184 Seiten haben SPD-Politikerinnen und Politiker, unter ihnen Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, die Vize-Vorsitzende Elke Ferner, die hessische Landesvorsitzende
Andrea Ypsilanti und der Vorsitzende des SPD-Parteirates Claus Möller ihren Diskussionsbeitrag zur "Baustelle Programmentwurf" geleistet. Ihre Denkanstöße reichen von der Arbeitsmarktpolitik über
die Sozialpolitik bis hin zur Energiepolitik, zur Europapolitik und zur internationalen Politik. Die Beiträge konkretisieren, ergänzen und spitzen zu, wo es nötig ist.
Zeithorizont von 20, 30 Jahren
Dass mehr Diskussion nötig ist, bestätigte neben denHerausgebern auch der Publizist Johanno Strasser, der das Buch vorstellte, während einer Pressekonferenz im Willy-Brandt-Haus. Strasser
wies darauf hin, dass dies das erste Grundsatzprogramm der SPD sei, das in Regierungsverantwortung entstehe. "Das muss kein Drama sein", räumte er ein, warnte jedoch, dass das tagespolitische
Geschäft zu einer "Verkürzung des Blickwinkels" führen könne. Ein Grundsatzprogramm müsse aber über einen "Zeithorizont von 10, 20 oder gar 30 Jahren" reichen.
Globalisierung ist gestaltbar
Wie stellen wir uns eine Gesellschaft in 20 Jahren vor? Mit welchen Verbündeten kann ich rechnen? Welche Gegenkräfte werde ich haben und wie kann ich Hindernisse überwinden? Auf diese
Fragen gebe der bisherige Bremer Entwurf nur unzureichende Antworten, so Strasser. Kritische Sichtweisen, wie sie bereits im Berliner Programm formuliert seien, würden im Bremer Programm noch
fehlen: Dass Wachstum nicht gleichbedeutend sein muss mit dem Wachstum von Arbeitsplätzen, beispielsweise. In diesem Zusammenhang müsse es auch in Deutschland erlaubt sein, von Kapitalismus zu
reden. Dabei gehe es um die entscheidende Frage, wie die Ökonomie dem Menschen zugute kommen kann und die Globalisierung gestaltbar. Denn sie falle ja nicht vom Himmel.
Mehr Mut, die Dinge zu benennen
Man müsse die Realitäten so beschreiben, dass sich die Menschen auch wieder finden, erklärte Andrea Nahles und stellte in diesem Zusammenhang ihre Sozialutopie vor, die
Arbeitslosenversicherung in eine Beschäftigungsversicherung umzuwandeln. "Wir können den Menschen die Vollbeschäftigung nicht mehr so wie in den 50-er und 60-er Jahren versprechen und es wird uns
auch nicht mehr geglaubt."
Das Buch:
Detlev Albers, Andrea Nahles (Hg.)
Linke Programmbausteine
Denkanstöße zum Hamburger Programm der SPD
184 Seiten, Broschur
14 x 22,5 cm
ISBN 978-3-86602-020-7
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.