Andrea Nahles bei der Buchmesse: Wie sieht die Arbeit der Zukunft aus?
„Es gibt keine bessere Gesprächspartnerin für dieses Thema,“ sagt die Journalistin Katharina Gerlach und schaut auf Andrea Nahles. Die sitzt neben ihr auf der „vorwärts“-Bühne der Frankfurter Buchmesse und lächelt die Moderatorin an. Nahles, seit kurzem Chefin der SPD-Bundestagsfraktion, soll an diesem Nachmittag über die Zukunft der Arbeit sprechen – und es ist offensichtlich, dass sie das als ehemalige Bundesarbeitsministerin gerne tut.
Welche Probleme bringt die Digitalisierung der Arbeit?
Es geht bei der Podiumsdiskussion um das Buch „Arbeit transformieren!“ Der Untertitel: „Denkanstöße der Kommission ‚Arbeit der Zukunft’“. Darin enthalten sind mehr als 50 Punkte zum Wandel der Arbeitswelt, die ein Gremium aus 32 Fachleuten über einen Zeitraum von zwei Jahren erarbeitet hat. Eine der Experten ist die Soziologin Kerstin Jürgens, die das neue Buch in Frankfurt mit Andrea Nahles diskutiert. Im Mittelpunkt stehen zwei Fragen: Wo bestehen die Probleme in der schnelllebigen Arbeitswelt von heute? Und was kann dagegen getan werden?
„Wir wissen es, wenn man ehrlich ist, auch nicht ganz genau“, gesteht Nahles zu Beginn ein. Die Herausforderungen, vor der heutige Arbeitsnehmer stehen, seien komplex. Deshalb müssten die Probleme „sichtbar gemacht“ werden, betont Kerstin Jürgens – Wissenschaft und Politik müssten hier die richtigen Analysen anbieten.
Konkrete Sorgen und Ängste
Als ehemalige Arbeitsministerin weiß Andrea Nahles, welche Schwierigkeiten der digitale Fortschritt mit sich bringt. Neulich habe sie sich mit einem LKW-Fahrer unterhalten, der fürchte, dass bald ein Roboter am Steuer seines Lasters sitzen könnte, erzählt Nahles. Der Mann frage sich, wie lange er in seinem Job noch gebraucht werde. „Da stecken ganz konkrete Ängste und Sorgen in den Köpfen der Menschen.“ Die Politik müsse deshalb dafür sorgen, „dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer davon nicht kalt erwischt werden“.
Eines der Hauptprobleme sei die „neoliberale Logik“ wie sie etwa von amerikanischen Firmen aus dem Silicon Valley vertreten werde, sagt Nahles. Bei den Wirtschaftsbossen der Internet-Riesen in Kalifornien erkennt sie ein Ziel: „Die wollen eine neue, freie Welt schaffen.“ Das klinge zunächst ja auch ganz gut, betont Nahles. Nur dürfe der Fortschritt in der Arbeitswelt nicht die Aushebelung der sozialen Marktwirtschaft zur Folge haben. Die Arbeitsverträge von Amazon, die Arbeitnehmer auf Abruf anstellten, nennt sie als Negativbeispiel. Auch die Forscherin Kerstin Jürgens beobachtet, wie der Wandel der Arbeitswelt die Menschen verunsichert. Früher habe der Job den Menschen ein Stück Identität gegeben, viele hätten Stolz aus ihrer Arbeit geschöpft. In Zeiten von Leiharbeit und befristeten Verträgen nehme das jedoch ab – auch ein Grund, warum so viele den einfachen Lösungen der Rechtspopulisten auf den Leim gingen.
Nahles über Brexit & Co: Es gibt nichts Dümmeres
Den Wünschen der Rechtspopulisten, das zukünftige Glück in der Nationalstaatlichkeit zu suchen, erteilt Nahles eine Absage. „Was für ein Wahnsinn!“, sagt sie über antieuropäische Vorhaben wie den Brexit. „Es gibt nichts, das dümmer ist!“ Die EU werde heutzutage mehr gebraucht denn je. Die Europäische Union müsse wieder handlungsfähiger werden, um mehr Gerechtigkeit schaffen zu können. Die EU müsse etwa mit einem starken Kartellrecht Monopolisierungen verhindern – denn die seien „keine gute Nachricht“ für Arbeitnehmer. Auch will Nahles einen europäischen Haushalt einführen, eine Idee, die Konservative vehement ablehnen. Und sie will Steuerflucht in der EU bekämpfen, damit in Zukunft das Land des Gewinns auch das Land der Besteuerung sei.
Andrea Nahles – gerade noch Arbeitsministerin, bald die Oppositionsführerin im Bundestag – zeigt sich auf der Frankfurter Buchmesse kämpferisch. Sie lässt keinen Zweifel daran, dass sie auf die neue Bundesregierung Druck ausüben werde, wenn es um Arbeitnehmerrechte geht. Die Moderatorin Katharina Gerlach scheint sie damit zu überzeugen. „Ich bin sicher, wir werden da eine starke Opposition haben“, sagt sie. „Eine mit einer starken Stimme.“
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.