Die Musikerin Maike Rosa Vogel spricht im Interview über politische Lieder, über das Leben als Künstlerin und Mutter auf Hartz IV und darüber, wie man sich als Feministin in Deutschland fühlt. Am Freitag wird sie bei „Pop Meets Politics“ im Berliner Fritz Club dazu beitragen, dass die Urheberrechtsdebatte gemeinsam mit den Künstlern geführt wird.
Birgit Güll: In Ihren Lieder geht es um Formeln für den Weltfrieden, um Hartz IV, ums Bereit sein zur Revolution. Sind Sie eine politische Liedermacherin?
Maike Rosa Vogel: Es gibt diesen Klischee-Ausspruch „Alles Private ist politisch“. Meine Eltern haben das gelebt, dass es nicht das Privatleben und die Politik gibt. Was von außen kommt und einen beeinträchtigt, kann man nicht vom Privaten trennen. Ich glaube so ist es bei meinen Liedern auch. Für mich ist es das Gleiche, ob ich darüber schreibe wie ich mit jemandem eine Beziehung habe oder darüber, wie scheiße es ist von Hartz IV zu leben.
Politische Liedermacherin wäre also kein Label, das Sie für sich wählen würden?
Nee, weil ich glaube man kommt dann schnell unter Druck. Wenn man sagt „Ich bin politische Liedermacherin“, dann wirken Liebeslieder plötzlich oberflächlich oder sentimental. Aber das gehört für mich dazu.
Kann Musik zur Veränderung der Gesellschaft beitragen?
Musik kann eine riesige Energiequelle sein. Für mich war sie das immer. Wenn mich als Teenager etwas genervt hat, hat mich eine bestimmte Musik darin bestärkt, trotzdem ich selbst zu sein. Ich glaube mehr kann Musik auch nicht. Sie verändert nicht die Welt, sondern sie bestärkt die Leute, die sie hören.
Sie sind in einem 68er-Haushalt in Frankfurt aufgewachsen, wurden schon früh mit auf Demonstrationen genommen. Gehen Sie heute noch auf Demos?
Ja. Zu wenig, finde ich. Ich bin zum Beispiel relativ viel auf Demos gegangen, als die CDU den Ausstieg aus dem Atomausstieg beschlossen hatte, also vor Fukushima. Weil ich das so abgründig schlimm fand. Das war so offensichtlich gegen die Bevölkerung, dass ich das Gefühl hatte ich muss auf die Straße gehen. Heute müssen mich Sachen richtig sauer machen, damit ich das tue. Oft denke ich, man müsste eigentlich, gehe dann aber doch nicht.
Sie waren bei den Falken, „Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken“, und haben in einem Interview gesagt, dass sie das nicht missen möchten. Was war das Besondere daran?
Das war ein Umfeld, in dem man sein konnte wer man ist. Da waren alle meine Freunde – entweder hab’ ich sie da kennengelernt, oder ich hab’ sie aus der Klasse mitgenommen. Wir sind zusammen in Urlaub gefahren, haben in Zelten geschlafen. Drei Wochen mit Gleichaltrigen und mehr oder weniger machen was wir wollten, in der Natur, das ist doch saugeil. Ich habe ich mich an die Gruppendynamik gewöhnt, an das Zusammensein auf engstem Raum. Das hat auch Suchtcharakter. Die Nähe zu anderen Leuten ist für mich bis heute etwas Positives. Ich wohne jetzt in einem Hippie-Haus, einem Wohnprojekt, wo sich alle kennen und zusammen abhängen. Ich finde das toll. Diese Lust aufs Zusammensein hab ich gelernt und ich glaube, das macht einen glücklicher im Leben.
Es ist kein Klischee, dass man bei den „Falken“ gemeinsam gesungen wird. Hat dieses linke politische Liedgut Sie beeinflusst?
Nein, ich hab’ die beeinflusst. Ich war eine Jukebox, hatte schon als Kind ein kleines Liederbuch, in das ich Texte von Liedern reingeschrieben habe. Die hab ich gesammelt. Meine Eltern haben gesehen, wie viel Spaß mir das macht und haben mir Platten besorgt. Das mit den Liedern bei den Falken hat bei mir offene Türen eingerannt, ich konnte nie genug haben.
Welche Lieder mochten Sie zu der Zeit?
Zum Beispiel Lieder von Fredrik Vahle. Die waren für mich das Zentrum meines Kinderuniversums. Ich glaube heute, er hat großen Einfluss auf meine Musik. Die Musik vom Grips-Theater mochte ich. Von den politischen Klassikern mochte ich „Bella Ciao“ oder „Sacco und Vanzetti“, „ Che Guevara“. Andere waren mir ein bisschen fremd. Die kommen aus einer anderen Zeit.
Sie haben ein Lied über Hartz IV gemacht, „So Leute wie ich“ heißt es und es geht um Menschen, die arbeiten gehen und trotzdem nicht genug zum Leben haben...
Ich hab das selbst erlebt. Das ist inzwischen ein paar Jahre her, aber ich habe Freundinnen, die mit ihren Familien auf Hartz IV sind. Die arbeiten und werden nach Strich und Faden schikaniert. Die ganze Grausamkeit, die hinter Hartz IV steckt, die Angst die einem eingepflanzt wird, die können Leute die das nicht erlebt haben gar nicht nachvollziehen. In meinem Lied wollte ich dieses Gefühl von Abhängigkeit beschreiben. Zu wissen, dass jeder in diesem Jobcenter jederzeit mein Leben zur Hölle machen kann wenn er will. Ich hab bis heute nicht verstanden was das für Menschen sind, die es Leuten wie mir schwer machen wollen. Die meiste Zeit die ich auf Hartz IV war, war ich schwanger und habe gearbeitet. In der Politik wird nie darüber geredet, dass viele Leute Kinder großziehen, arbeiten gehen aber keine sozialversicherungspflichtige Anstellung haben und deshalb Hartz IV bekommen.
Sie bezeichnen sich selbst als Feministin. Macht es diese Label in der Welt der in Popmusik schwerer?
Sich in Deutschland als Feministin zu outen ist, als würde man sagen, dass man keine Tiere mag. Ich denke je mehr coole, erfolgreiche und selbstbewusste Frauen sagen „Ich bin Feministin“, desto einfacher wird es für junge Frauen. Ich hätte gerne früher gelernt, dass es okay ist eine Frau zu sein vor der Männer Angst haben. Feministin zu sein hilft einem mehr als es schadet. Hätte ich das früher gewusst, hätte ich viele Umwege nicht gehen müssen. Keine Frau die es weit gebracht hat in ihrem Leben würde sagen, dass sie keine Feministin sei. Aber man sagt es nicht offen. Das finde ich bescheuert. Das ist wie wenn Leute heimlich schwul sind. Als Frau keine Feministin zu sein, ist als würde man als Mensch mit Migrationshintergrund in Deutschland leben und sagen: „Ich habe eigentlich nichts gegen Nazis“.
Sven Regener wird überall als Ihr „Entdecker“, ihr „Mentor“ bezeichnet. Bei aller Dankbarkeit: Macht es Sie wütend, dass es einen Mann brauchte um Aufmerksamkeit auf Sie zu lenken?
Das finde ich nicht schlimm. Sven Regener tut nicht so, als hätte er meine Lieder geschrieben. Er hat auch viele junge Männer entdeckt und gefördert. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass man mit Männern gleichberechtigt Musik macht und nur als „die Sängerin“ wahrgenommen wird. Der Mann bekommt die Fragen zu Komposition und Technik gestellt, sagt dann aber nicht: „Die Maike schreibt viel mehr als ich“. Oder: „Die hat das programmiert.“ Das ist schlimm. Mit Sven Regener war es nie so. Er fand meine Musik gut und hat mich unterstützt. Musik wie ich sie mache braucht lange bis sie wahrgenommen wird. Da hilft es, wenn jemand wie Sven Regener immer wieder sagt: Das ist gut.
Am Freitag, den 7. September, werden Sie bei Pop Meets Politics bei der Podiumsdiskussion sein. Was erwarten Sie von dem Gespräch?
Es soll darüber gesprochen werden, wie Musiker über die Runden kommen. Ich dachte: Da kann ich einiges dazu sagen. Im Moment werden in dieser Diskussion seltsame Feindbilder aufgebaut, aber die Diskussion wird ohne die Künstler geführt. Ich habe auch keinen Masterplan für die Lösung des Problems, aber ich weiß, dass ich mit an Platten kaum etwas verdiene. Das Geld, das wir mit der neuen CD verdienen fließt im Moment noch an den Verlag, der uns das Studio bezahlt hat. Im Musikgeschäft – auf meinem Level – ist kein Geld mehr. Die Kleinen trifft es immer zuerst. Darüber möchte ich sprechen.
Das neue, dritte Album von Maike Rosa Vogel ist im Juni erschienen und heißt "Fünf Minuten".
Goetz Schleser
ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.