Friedrich-Ebert-Stiftung Viele Stipendiaten der Stiftung kommen aus benachteiligten Familien: Unterstützung erhalten klassische Arbeiterkinder, aber auch Kriegsflüchtlinge, die nach Deutschland kamen.
Unter Stipendiaten der Friedrich-Ebert-Stiftung mögen sich Außenstehende nur elitäre Karrieristen vorstellen. Doch weit gefehlt: Die Stipendiaten der ältesten politischen Stiftung Deutschlands sind alles andere als das. Die Ebert-Stiftung legt bei der Auswahl ihrer Stipendiaten großen Wert auf Studenten aus nicht-akademischen Haushalten. Die Lebenswege der Stipendiaten sind oft alles andere als geradlinig. Doch eines eint sie alle: die Affinität zu den Grundwerten der Sozialdemokratie – Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität.
Geflohen aus Afghanistan
Adela ist 35 Jahre alt und studiert seit 2009 im Bachelor Pädagogik. Zuvor musste die alleinerziehende Mutter schon einiges durchmachen, ehe sie Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) wurde. Adela kommt mit 16 Jahren als Kriegsflüchtling nach Deutschland. Als eines von sieben Kindern wächst sie im Nordosten Afghanistans auf. Ihr Vater sitzt sechs Jahre grundlos im Gefängnis, 1994 flieht die Familie schließlich vor den Wirren des Krieges ins hessische Bad Nauheim.
Angekommen in Deutschland hat sie mit einigen Problemen zu kämpfen. Neben fehlenden Sprachkenntnissen bekommt sie als Asylbewerberin zunächst auch keine Arbeitserlaubnis. Nur durch Glück kann sie eine Ausbildung beginnen. Nach dem Beginn ihres Studiums sucht sie im Internet nach Stipendien. Bei mehreren Angeboten fällt die Entscheidung letztlich für die FES: „Ich stand der SPD allein durch meine ehrenamtliche Arbeit schon immer sehr nahe. Deswegen habe ich mich für die FES entschieden und den anderen abgesagt.“
Als prägendes Erlebnis beschreibt Adela die Gespräche mit ihren Betreuern innerhalb der FES-Studienförderung: „Diese Gespräche waren bisher immer sehr nett und die Betreuer sehr verständnisvoll.“ Als ein großes Plus der Ebert-Stiftung lobt sie die Kinderbetreuung bei Seminaren: „Das ist für mich als zweifache Mutter sehr wichtig und eine große Erleichterung.“.
Seine Eltern sind Analphabeten
Auch der 28-jährige Menderes ist ein Flüchtlingskind. Mit zehn Jahren kommt er als eines von sieben Geschwistern aus der Türkei nach Deutschland. Seine Eltern sind Analphabeten. Trotzdem gelingt ihm das Abitur mit einem Traumschnitt von 1,2. Er bekommt ein Stipendium der deutschen Studienstiftung und verbringt unter anderem ein Auslandsjahr in den USA. Durch seinen Doktorvater wird er auf die FES aufmerksam.
Er bewirbt sich und ist mittlerweile Stipendiat in der Graduiertenförderung der Ebert-Stiftung. „Das ist eine große Ehre für mich sowie eine Auszeichnung für mein gesellschaftspolitisches Engagement“, sagt Menderes. Sein größtes Lebensziel ist es, „Teil der Gesellschaft zu werden und bei der Wahrung der Demokratie mitzuhelfen. Denn ich habe viele Situationen kennengelernt, in denen Demokratie und Solidarität nicht selbstverständlich waren.“
Er sorgt für die blinde Mutter
„Ich hätte mit 16 auch drogenabhängig werden können. Stattdessen bin ich in die SPD eingetreten. Denn das hat mir Kraft gegeben“, sagt Tobias. Mit 16 starb der Vater des heute 22-Jährigen plötzlich. „Das hat mich ganz schön umgeworfen. Ich bin von einem Tag auf den anderen erwachsen geworden.“ Tobias stammt aus einer strukturschwachen Region im Süden Brandenburgs.
Nach dem Tod des Vaters kümmert er sich um seine Mutter, die von Geburt an blind ist. „Das war nicht immer einfach für mich und hat mich manchmal sehr viel Kraft gekostet.“ Trotzdem macht er sein Abitur, beginnt ein Studium der Rechtswissenschaften und wird Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung. Sein größter Traum ist es, später eine Familie zu gründen und selbst ein guter Vater zu sein.
Ein Arbeiterkind aus Ostfriesland
Stefanie kommt, wie sie selbst sagt, aus „einem klassischen Arbeiterhaushalt“. Sie wächst in Ostfriesland auf. Ihre Lehrer sind der Meinung, sie solle auf die Realschule gehen, weil ihre Eltern es sich sicher nicht leisten könnten, ihre Tochter aufs Gymnasium zu schicken. Nach dem Realschulabschluss will sie ihr Fachabitur machen. Doch diesmal schieben ihre Eltern dem Wunsch der Tochter selbst einen Riegel vor. Sie solle doch lieber eine Ausbildung machen. Im Anschluss an ihre Ausbildung lebt und arbeitet sie ein Jahr in den USA, lernt ihren Ex-Mann kennen und bekommt ein Kind.
Zurück in Deutschland macht sie ihr Abitur nach und beginnt 2008 ein Psychologie-Studium. „Dass ich mittlerweile Stipendiatin der FES bin, bedeutet für mich eine gewisse Genugtuung. Denn das bedeutet, dass sich meine Lehrer damals geirrt haben. Außerdem bedeutet das Stipendium für mich als Mutter die finanzielle Freiheit, optimal studieren zu können.“
Das Vermächtnis Friedrich Eberts
Diese vier Beispiele von Adela, Menderes, Tobias und Stefanie zeigen, dass die Lebensläufe von Stipendiaten sehr unterschiedlich sein können und nicht alle Stipendiaten zwangsläufig aus einem akademischen Haushalt stammen. Schon gar nicht in der Friedrich-Ebert-Stiftung, einer Stiftung, die 1925 aus dem Vermächtnis des Reichspräsidenten Friedrich Ebert mit dem Ziel gegründet wurde, „jungen, befähigten Proletariern Beihilfen für einen Studiengang an staatlich anerkannten Instituten zu geben.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo