Kultur

68 – und was davon übrig blieb

von Anke Schoen · 2. Dezember 2008
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Damals und Heute: Matthias Matusseks Weisheiten enthalten sehr viel Wahrheit. Nicht zuletzt die Tatsache, dass das was die 68er "subversiv" nannten, heute "vollkommen normal" geworden sei. Kamen lange Haare bei den Jungen einer kulturellen Revolution gleich, ist der Anblick heute alltäglich, wird nur noch müde belächelt. Sie hätten das Gemeinschaftsgefühl beschworen, sinniert Matussek und fragt, ob es für seinen Sohn vergleichbare Gemeinschaftserlebnisse gäbe? Damals kannte jeder die Chartplatzierungen, heute gäbe es keine richtigen Charts mehr, dafür 3000 Lieder auf dem iPod. Sie hatten verbindliche Theoretiker - heute gäbe es Al Gore. Und statt um Politik, ginge es heute um "Save the planet"- Konzerte.

Kurz: Die 68er hätten noch verbindliche Werte gehabt. Es habe nur schwarz oder weiß, richtig oder falsch, Freund oder Feind gegeben. Heute hingegen wähle jeder aus der Pluralität der Lebensstile, bastele sich einen vermeintlich nonkonformen eigenen. Dabei sei irgendwie einfach alles "Pop." Die Generationenzugehörigkeit zeige Auflösungserscheinungen, die Pop- Kultur bediene alle gleichermaßen. "Die Jugendkultur ist überflüssig geworden, weil alles Jugendkultur ist." Grenzen zwischen jung und alt verwischen. Wie kann man seine Alten schocken, wenn es nichts mehr zu schocken gibt?

Als noch alles anders war

Rebellion werde immer schwieriger. Sie verkomme zu einem raren Luxusgut, der der Nachkriegsgeneration offensichtlich vergönnt war. Zahlenmäßig der Elterngeneration überlegen, probten die "Jungen" den Aufstand gegen die "Alten" und gegen den maroden Staat. Sie konnten es sich erlauben, winkte nach Verlassen der Universität doch der sichere Arbeitsplatz. An den Universitäten herrschten Studienverhältnisse, von denen die heutigen Studierenden nur träumen können.

Der Autor berichtet auch von bewusstseinserweiternden Drogen, seinem Leben in einer maoistischen WG und dem Aufenthalt im indischen Knast. Matussek nimmt uns mit auf die Reise durch die letzten Jahrzehnte, streift dabei die Kommune I und ihre "Wiedergänger", Episoden der bundesdeutschen Geschichte und auch das Idol seines Sohnes, den Rapper 50 Cent. "Als wir jung und schön waren" ist überaus amüsant, gut lesbar und reich bebildert. Es ist die subjektive Sichtweise Matusseks, welche den Charme des Buches ausmacht.


Matthias Matussek: Als wir noch jung und schön waren, S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2008, 304 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-10-048924-1

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Anke Schoen

ist freie Journalistin.

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