Das Leben in einer Großstadt hat schon immer Schriftsteller, Fotografen und Künstler fasziniert. In wohl kaum einer anderen Stadt in Deutschland ist Normalität so spannend und vielfältig wie in Berlin. Doch noch nie wurde dieses einzigartige Flair auf so eindrucksvolle Art und Weise dokumentiert wie im Herbst 2008. Für das Projekt "24h Berlin" lichteten 36 Fotografen der Agentur Ostkreuz einen ganzen Tag lang ihre Stadt ab. Sie begeleiteten Menschen, zum Beispiel einen Hip-Hopper, einen Schrotthändler, einen Rabbi und sogar Gefängnisinsassen. Sie besuchten den Bundestag oder den Konnopke-Imbiss, das Holocaust-Denkmal oder einen Prominentenball.
Jeder Fotograf besaß seine eigene Idee und Vorstellung von den Menschen und ihrer Umgebung. Zusätzlich haben 15 Autoren ihre Erlebnisse niedergeschrieben: darunter Pieke Biermann, die mit der Polizei im nächtlichen Wedding auf Streife war, Katja Lange-Müller, die den Zoo besuchte oder Jana Simon, die vor der Geburt ihres Kindes ein letztes Mal den Gynäkologen aufsuchte.
Individuelles Berlin
Die Fotoschau "24h Berlin" präsentiert die Stadt in Bild, Ton und Text aus vielen Blickwinkeln und an vielen Orten. Ziel war es, das Leben und die Menschen an einem einzigen Tag einzufangen
und dabei ihre Individualität zu bewahren - ein ehrgeiziges Projekt. Ganz besonders in einer Stadt wie Berlin, in der 3,4 Millionen Menschen leben - darunter knapp eine halbe Million ausländische
Bürger aus über 180 Nationen dieser Erde. Und was ist schon normal in Berlin? Ist es der Abschleppwagenfahrer in Reinickendorf oder der Drogenabhängige in Mitte? Ist es die Angestellte im
Kreuzberger Callcenter oder der Tellerwäscher aus Burkina Faso, der abends im "Adlon" mit seiner Band auftritt.
Tobias Kruse beispielsweise fotografierte für seine "Berlin-Geschichte" ein schwules Paar, den Architekten Mirko und den Schauspieler Lutz. Er begleitete die beiden im Bett, beim Aufstehen,
Zähneputzen, Streiten, Einkaufen und Ausgehen. Mit dieser Fotoserie offenbaren die beiden Männer nicht nur ihre Liebesgeschichte, sondern auch ihren ganz persönlichen Blick auf Berlin
24 Stunden Ausstrahlung
An diesem 5. September - einem Freitag - waren zeitgleich 80 Kamerateams unterwegs. Sie hielten den ganz "normalen" Tag von 20 Bewohnern Berlins fest. Darunter waren gebürtige Berliner wie
auch Menschen, die Beruf, Schicksal oder Sehnsucht nach Berlin gebracht hat. Die Kameraleute begleiteten jedoch nicht nur diese, sie beobachteten ebenso Besucher der Hauptstadt. Einige andere
Berliner haben diesen Tag genutzt, mit eigenen Videos dabei zu sein - auch diese finden sich in der TV-Doku.
24 Stunden dauerten die Dreharbeiten und exakt so lang ist auch der Film, der aus vielen hundert Stunden Aufnahmen entstanden ist. "24h Berlin" wurde vom Rundfunk Berlin Brandenburg und von ARTE ohne Unterbrechung ausgestrahlt - 24 Stunden lang, gerade so wie beim Dreh von 6.00 Uhr bis 6.00 Uhr.
Alle Fotografien sind seit dem 5. September 2009 - genau ein Jahr nach ihrer Entstehung in der gleichnamigen Ausstellung im Foyer des Postfuhramts in der Oranienburger Straße 35/36 in Berlin
anzuschauen. Das zweibändige Begleitbuch enthält Fotografien sowie Reportagen.
www.24hberlin.de
Edda Neumann