1.700 Jahre Judentum in Deutschland: Es ging stets um Gleichheit
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Dieses Jahr ist wieder ein Jubiläumsjahr, das mit einer Rede des Bundespräsidenten eingeläutet wurde. Anlass ist der Jahrestag eines römischen Gesetzes, das am 11. Dezember 321 nach unserer Zeitrechnung von Kaiser Konstantin unterschrieben und an die Ratsherren der damals römischen Stadt Köln gerichtet wurde. Für Historiker*innen ist damit bewiesen, dass Jüd*innen seit 1.700 Jahren im Rheinland leben. Die politische Bedeutung liegt in ihrem Inhalt. Reiche Jüd*innen der Stadt werden den anderen Reichen insofern gleichgestellt, dass sie nun auch in den Stadtrat berufen werden konnten.
Gleichbehandlung für alle
Auf einer politischen Ebene kann mit Verweis auf dieses römische Dokument gesagt werden, dass von Anfang an, die jüdische Geschichte in Deutschland von einem Thema durchzogen wird: Werden Jüd*innen wie Gleiche behandelt, haben sie dieselben Rechte und Pflichten? Die Gleichbehandlung vor dem Gesetz, also die gleichen Rechten und Pflichten zu haben, ist der Kern der biblischen Gerechtigkeit. Und in der Moderne ist sie der Kern des demokratischen Rechtsstaats. Das Fundament hierfür ist die Gleichheit aller Menschen, im Ebenbild Gottes. Wer Menschen als Ungleiche sieht und behandelt, hat immer einen Grund, andere rechtlich und wirtschaftlich zu benachteiligen. Und Schlimmeres, wenn Hass dazu kommt. Die Auseinandersetzung um die Gleichberechtigung hat das Judentum immer wieder geprägt.
Es ist auch kein Zufall, dass das Reformjudentum seit 1846 durch Beschluss eines Rabbinerkonvents in Breslau die absolute Gleichberechtigung der Frau fordert. Aus jüdischer Sicht ist die Gerechtigkeit vor allem eine soziale Gerechtigkeit, die immer wieder entsprechend der Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft neu zu verstehen und vor allem zu gestalten ist.
Prägende Denker*innen der SPD
Und an dieser Weiterentwicklung der sozialen Gerechtigkeit nach jüdischem Verständnis waren immer wieder auch deutsche Jüd*innen beteiligt, ab 1837 auch jüdische Sozialdemokrat*innen. In dem Jahr verfasste der junge Kölner Jude Moses Hess die erste sozialistische Schrift in Deutschland. Er entwickelte in diesem Text aus der Bibel heraus eine Entfremdungstheorie, die für die Abschaffung des Privateigentums stritt, da er sie als das größte Hindernis einer konsequenten sozialen Gerechtigkeit sah. Er setzte sich in dieser Schrift auch für die völlige Gleichberechtigung von Männern und Frauen und für die Freie Liebe ein. Die Historiker sind sich einig, dass Friedrich Engels durch die Entfremdungstheorie von Hess stark beeinflusst wurde. 1861 wurde Hess Mitglied im Gründungsvorstand des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins.
Einer der prägenden Denker der SPD war Eduard Bernstein. Seine Familie war reformjüdisch, der Vater Eisenbahner. Es ist grundsätzlich das Reform-Denken, dass ihn prägte und ihn zum Begründer einer sozialdemokratischen Reformpolitik machte. Und er wusste, dass Bildung der Schlüssel zu einer demokratischen Gesellschaft ist.
Sinzheimer: „Vater des deutschen Arbeitsrechts“
Hugo Sinzheimer, ebenfalls in einer reformjüdischen Familie geboren, wird „Vater des deutschen Arbeitsrechts“ genannt und hat als SPD-Abgeordneter 1919 in Weimar beantragt, diese Sätze in die Verfassung aufzunehmen: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das Gemeine Beste.“ Damit hat er unsere Gesellschaft nachhaltig geprägt.
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ist Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Softwarerecht und Sprecher der jüdischen Sozialdemokrat*innen.