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Zwischenwahlen in den USA: „Für Trump könnte es deutlich ungemütlicher werden“

Am Dienstag finden in den USA die sogenannten Zwischenwahlen von Repräsentantenhaus und Senat statt. SPD-Vize Ralf Stegner hat gerade in Amerika Vertreter der Demokraten getroffen. Diese seien wild entschlossen, „das andere, das progressive Amerika zu zeigen“.
von Kai Doering · 5. November 2018
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Herr Stegner, Sie sind dafür bekannt, jeden Morgen einen musikalischen Gruß für den Tag zu twittern. Welches Lied würde die Stimmung in den USA zurzeit am besten beschreiben?

Da denke ich spontan an „Street Fightin’ Man“ von den Rolling Stones.

Sie waren Ende Oktober für einige Tage in den USA, um vor den Zwischenwahlen mit Politikern der Demokraten, Wissenschaftlern und Journalisten zu sprechen. Wie haben Sie das Land erlebt?

Die Menschen in den USA sind ja wirklich geschlagen mit Präsident Donald Trump, doch sie resignieren nicht, sondern zeigen eine wilde Entschlossenheit, diesem Menschen im Weißen Haus mit seinen verrückten Ideen etwas entgegenzusetzen und so das andere, das progressive Amerika zu zeigen. Sie wollen sich die Rückschritte, die die USA unter Trump machen – beim Klimaschutz, im Umgang mit Minderheiten oder bei der Geschlechtergerechtigkeit – nicht gefallen lassen und sind fest entschlossen, bei den Midterm-Wahlen gute Ergebnisse zu erzielen. Das hat mich sehr beeindruckt. Ein bisschen was von diesem Spirit und Kampfgeist wünsche ich mir auch für die SPD.

Prognosen sehen für die Demokraten gute Chancen, nach der Wahl eine Mehrheit im Repräsentantenhaus zu haben. Bei der Wahl zum Senat könnte es dagegen eng werden. Wie schätzen Sie die Chancen ein?

Ich teile die Einschätzung der Umfragen. Bei der Wahl zum Repräsentantenhaus sieht es für die Demokraten gut aus, beim Senat verspricht es, spannend zu werden. Da ist es fast unmöglich, den Ausgang vorherzusagen. Hinzu kommt, dass diese Wahlen in einem extrem aufgeheizten politischen Klima stattfinden, was durch Trump und andere noch befeuert wird. Die Stimmung kann sich beinahe täglich drehen. Aber schon wenn die Demokraten künftig eine Mehrheit im Repräsentantenhaus hätten, würde es für Trump deutlich ungemütlicher werden.

Welche Rolle könnten die Anschläge in Pittsburgh und Kentucky aus den vergangenen Tagen sowie die verschickten Briefbomben für den Wahlausgang spielen?

Auch das ist schwer vorherzusagen. Klar ist aber, dass Trump sich nach diesen schrecklichen Taten aufgeführt hat wie ein Berserker, der Hetzreden gegen die freie Presse hält und das Land weiter spaltet. Den Brandreden folgen die Brandsätze. Auch zahlreiche eingefleischte Republikaner schreckt so etwas ab. Deshalb könnten die Ereignisse der letzten Tage schon einen Einfluss haben, in dem Sinne, dass manch einer nachdenkt, ob er so ein Amerika wirklich möchte und sich mehr Menschen dazu entschließen, wählen zu gehen.

Donald Trump ist auf der einen Seite nach eineinhalb Jahren im Amt der unbeliebteste Präsident in der Geschichte der USA, auf der anderen Seite ist der Zuspruch seiner Wähler ungebrochen groß. Wie passt das zusammen?

Eine Antwort liegt darin, dass Trump und auch einige der Kandidaten, die jetzt für die Republikaner bei den anstehenden Wahlen antreten, niedere Instinkte ansprechen. Da wird den Wählern eine Welt von gestern versprochen, die natürlich nicht wiederkommt. Hinzu kommt, dass gerade im Präsidentschaftswahlkampf eine starke Anti-Establishment-Stimmung herrschte, die sich vor allem gegen die Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, richtete. In Teilen kehrt das in diesem Wahlkampf wieder. Hillary Clinton gelang es leider nicht, den Schwung der Bernie-Sanders-Kampagne aufzugreifen. Auch deshalb dürfte es interessant werden, wer sich als nächster Präsidentschaftskandidat der Demokraten in Stellung bringt.

Haben Sie einen Tipp?

Es gibt einige interessante Persönlichkeiten, denen ich eine Kandidatur zutrauen würde: Elizabeth Warren, die Senatorin aus Massachusetts, Obamas damaliger Vize-Präsident Joe Biden oder vielleicht doch nochmal Bernie Sanders. Auch bei den Jüngeren gibt es interessante Persönlichkeiten. In Texas zum Beispiel tritt Beto O’Rourke gegen den republikanischen Senator Ted Cruz an. Ob er eine Chance hat, ins Rennen für die Präsidentschaftskandidatur zu gehen, wird auch von seinem Wahlergebnis abhängen. Und es gibt Alexandria Ocasio-Cortez, die jetzt in New York bei der Kongresswahl kandidiert. Auch ihr werden Ambitionen und Chancen für eine Präsidentschaftskandidatur nachgesagt. Nach den Midterm-Wahlen wird es hier sicher mehr Klarheit geben.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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