Was war der Grund für den Gewaltausbruch an der berühmt gewordenen Neuköllner Schule im Jahr 2006? Einer der Hauptgründe sei die Perspektivlosigkeit der Jugendlichen, aber auch ihr teilweise
schwieriges Familienumfeld spielte eine Rolle. Häufig seien die Eltern mit der Erziehung überfordert, haben Sprachprobleme und es herrsche Gewalt, erklärte Alexander Dzembritzki. Er übernahm in
jenem Jahr die Schulleitung, um die Bildungsanstalt wieder auf Vordermann zu bringen.
Die Lösung für die Rütli-Schule
Der neue Schulleiter führte einen interkulturellen Moderator ein. Dieser kann perfekt Deutsch und Arabisch. Darüber hinaus kennt er die orientalische Kultur. "Auf diese Weise war es uns
möglich, die Eltern zu erreichen und mit ins Boot zu holen. Ich habe auch viele Hausbesuche mit dem interkulturellen Moderator absolviert. Die Erziehungsberechtigten mussten erst lernen, dass es
wichtig ist, mit uns zusammen zu arbeiten. Mittlerweile läuft es," berichtete er.
Der zweite Ansatz, die Probleme an der Schule zu lösen, war Zukunftswege und Hoffnungen für die Schüler und Schülerinnen aufzuzeigen. Dazu wurden Kooperationen mit diversen
Wirtschaftsunternehmen geschlossen. Die machten es möglich, mehr Praktikumsplätze und direkten Kontakt zu späteren Arbeitgebern zu schaffen.
"Bevor die Schüler und Schülerinnen ihr Praktikum begannen, sagte ich ihnen: Jetzt vergesst einmal eure Mathe- und Deutschnoten. Ihr kommt vor dem Chef und ihr geht erst nach dem Chef. Seid
fleißig. Das ist eure Visitenkarte," führte Alexander Dzembritzki aus. Auf diese Weise sei es möglich gewesen, dass mehr Jugendliche nach dem Abschluss ihrer Schulkarriere in den ersten
Arbeitsmarkt gelangten. Bei dem vergangenen Jahrgang konnten alle Abgänger wenigstens in weiterführende Maßnahmen untergebracht werden. Kein paradiesischer Zustand, aber ein deutlicher Schritt
vorwärts.
Auch die Unternehmen seien an einer Kooperation und an der Vergabe von Praktika interessiert. Die Deutsche Bahn (DB) beispielsweise hatte im Reinigungsbereich offene Kapazitäten, die sie
nicht besetzen konnte. Das Unternehmen kam mit den Jugendlichen in direkten Kontakt und half das Schulfach Arbeitslehre besser an den Arbeitsalltag anzupassen, so Alexander Dzembritzki.
Ein entscheidender Punkt sei auch, dass die Rütli-Schule nun eine Ganztagsschule ist. Zum einen habe die Bildungsinstitution so zeitlich länger Einfluss auf die Jugendlichen, zum anderen
seien jene weg von der Straße. Auch arbeite die Bildungseinrichtung besser mit der Polizei zusammen. Vieles habe sich seit diesen Maßnahmen gebessert, so der Neuköllner Schulleiter.
Die Lage in Afghanistan
Natürlich sei ein Vergleich zwischen der in die Presse gelangten Rütli-Schule und Afghanistan etwas weit hergeholt. Allerdings gebe es gewisse Parallelen, so der SPD-Bundestagsabgeordnete
Detlef Dzembritzki.
Der Nährboden, auf welchem die Saat für Gewalt und Terrorismus gedeihen könne, sei auch in Afghanistan die Perspektivlosigkeit. Zudem sei die Bevölkerung infolge eines 30-jährigen
Bürgerkriegs teilweise verroht, erklärte er.
Als weiteres, von den Medien bisher nicht beachtetes Problem nannte er die Demographie. "50 Prozent der afghanischen Bevölkerung sind unter 18. Wenn jene später auf den Arbeitsmarkt
strömen, werden Perspektivlosigkeit und Hoffnungslosigkeit in dem Land weiter zunehmen," warnte der Abgeordnete. Er gab zu bedenken, dass sich die Lage in einigen Regionen verschlechtert habe,
wies aber auch auf die Fortschritte hin, die von den Afghanen durchaus gesehen würden. Insgesamt gehe ihnen der Aufbau des Landes aber zu langsam voran.
Die Lösung für Afghanistan
Genau wie an der Rütli-Schule versuche man auch am Hindukusch, den Menschen Perspektiven zu eröffnen, so Detlef Dzembritzki. Schulen wurden gebaut, Straßen errichtet, Kraftwerke aufgebaut,
das Stromnetz ausgebaut und Ausbildungsplätze kreiert. Auch der verstärkte Aufbau des Polizei- und Militärsektors sei wichtig, denn Sicherheit und Entwicklung bedingen einander. Armeeeinsatz und
ziviler Aufbau müssten einander ergänzen, eins alleine reiche nicht aus. Detlef Dzembritzki kritisierte, dass die internationale Gemeinschaft bisher unter ihren Möglichkeiten geblieben sei. Man
hätte schon jetzt deutlich mehr erreichen können.
Sowohl die Neuköllner Schule als auch Afghanistan zeigen, dass man der jungen Generation Hoffnung geben, dass sie Chancen und Zukunftsperspektiven haben muss. Diese allein sind kein Garant
für Gewaltlosigkeit und Frieden, aber die Tragpfeiler für die Brücke in eine friedlichere Gesellschaft. Sei es in Deutschland oder am Hindukusch.
Detlef Dzembritzki. Foto: Köcher
Ich studiere Kulturwissenschaften an der Europauniversität Viadrina in Frankfurt (Oder) mit den Schwerpunkten Kulturgeschichte und Sozialwissenschaften. Ich lerne dort ebenfalls Englisch und Spanisch. In meiner Freizeit bin ich "ganz normal" wie andere auch: Ich spiele Fußball, gehe gerne weg oder verbringe Zeit mit meinen Freunden.