Er hat Milliarden US-Dollar aus seinem privaten Vermögen investiert, um Hunger und Elend in der Welt zu bekämpfen. Mit seiner Stiftung unterstützt er beispielsweise Gesundheitsprojekte in Entwicklungsländern: Bill Gates. Im vorwärts-Interview spricht er darüber, warum die Zusammenarbeit von privaten Stiftungen und Regierungen so wichtig ist.
vorwärts: Herr Gates, warum besuchen Sie die SPD?
Bill Gates: Ich treffe mich mit der SPD, um über die wichtigste Sache zu sprechen, die ich seit Beginn meiner Arbeit im Bereich Gesundheit und Entwicklung gelernt habe: Nämlich dass Hilfe, wenn sie klug investiert wird, auf die Ärmsten in der Welt gerichtet ist und auf klare messbare Ziele hinarbeitet, wirklich funktioniert.
Mit der Bill & Melinda Gates-Stiftung haben Sie Milliarden Ihres Privatvermögens gespendet, zum Beispiel für Gesundheitsprojekte in Entwicklungsländern. Sind Sie mit dem bisherigen Erfolg zufrieden?
Die Fortschritte in globaler Gesundheit und Entwicklung sind dank der Investitionen von Regierungen, privaten Stiftungen wie der unseren und multilateralen Organisationen enorm. Wenn man sich die Daten von vor 50 Jahren anschaut, lässt sich kaum behaupten, dass die Entwicklungshilfe nicht unglaubliche Auswirkungen hatte. Hier nur einige Beispiele:
– Durch die Fortschritte in der Landwirtschaft wurde eine Milliarde Menschen vor Hungersnot bewahrt.
– Durch Impfstoffe und andere medizinische Innovationen wurden Millionen Leben gerettet und die Belastung durch Krankheiten wurde vermindert, die sich besonders heftig auf die armen Länder auswirkt.
Wir müssen uns Folgendes vergegenwärtigen: 1960 starben 20 Millionen Kinder, bevor sie ihr fünftes Lebensjahr erreichten. 2011 betrug diese Anzahl weniger als 6,9 Millionen. Das sind 13 Millionen Kinder weniger, die jedes Jahr sterben.
Wir sind der Ansicht, dass sich enorme Fortschritte vollziehen, aber es gibt immer noch riesige Ungleichheiten, bei denen wir endlich sehen wollen, dass sie angegangen werden. Wir haben noch einen langen Weg vor uns, um sicherzustellen, dass jedes geborene Kind – unabhängig davon, ob es in einem reichen oder armen Land geboren wurde – eine gleiche Chance auf ein gesundes Leben hat.
Wen sehen Sie vor allem in der Pflicht, weltweit Strukturen zu verändern, damit Hunger und Not dauerhaft besiegt werden: Staaten oder Private?
Sowohl Regierungen als auch Einzelpersonen sind wichtig, um Hunger und Armut in der Welt zu bekämpfen, aber weder die einen noch die anderen können allein handeln. Der Beitrag, den Stiftungen wie die unsere leisten können, ist wichtig, aber er ist ein Tropfen auf den heißen Stein im Vergleich zu den Investitionen von Geberregierungen und dem Geld, das in die Entwicklungshilfe investiert werden muss.
Was sind Ihre Erwartungen an die Politik?
Es kommt darauf an, dass die Regierungen und Politiker klare Ziele setzen, wie zum Beispiel das Ziel, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe bereitzustellen, und dass sie geeignete Mittel finden, um die Fortschritte auf dem Weg dorthin zu messen. Wenn dies richtig gemacht wird, gibt es eine wirkliche Nachverfolgbarkeit, die zu dem politischen Willen führt, große Dinge auf den Weg zu bringen.
Deutschland wird 2015 den G8-Gipfel ausrichten. Das ist das Jahr, in dem die Welt über eine Reihe neuer Entwicklungsziele entscheiden wird, mit denen die UN-Millenniumsziele ersetzt werden sollen. Diese haben dazu beigetragen, dass die Welt beachtliche Fortschritte bei der Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen erreicht hat.
Ich hoffe, dass ich die Mitglieder der SPD und die breite Öffentlichkeit in Deutschland dazu anregen kann, weiterhin großzügig zu sein. Ich denke, die Welt ist kurz davor, enormen Erfolg im Kampf gegen Krankheit und globale Armut zu erzielen. Und Deutschland spielt eine entscheidende Rolle, um zu gewährleisten, dass wir diesen Erfolg erreichen.
Wie kann die Zusammenarbeit von staatlichen und privaten Helfern verbessert werden?
Der Privatsektor spielt eine wichtige Rolle, da er als Katalysator für neue Innovationen dienen kann. Er kann einige der frühen Investitionsrisiken übernehmen, die – wenn sie sich als funktionsfähig bewährt haben – von Regierungen in viel breiterem Umfang umgesetzt werden können.
Durch Konzentration auf die ärmsten Menschen der Welt, durch Finanzierung von Maßnahmen, die die größten Auswirkungen erzielen, und durch Beteiligung an innovativen globalen Partnerschaften wie der GAVI Alliance und dem Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis and Malaria, können die Länder maximalen Nutzen aus jedem Euro erzielen, der für Hilfe bereitgestellt wird.
Um die Ungerechtigkeit in der Welt auch strukturell bekämpfen zu können, könnten Sie in die Politik gehen. Denken Sie daran?
Sowohl Melinda als auch ich widmen uns voll und ganz unserer Arbeit bei der Stiftung. Deshalb ist die Antwort: Nein, wir suchen keine neue Beschäftigung.
Europa hat zur Zeit große eigene Probleme, etwa die Staatsverschuldung oder die Krise des Euro. Welche Hoffnungen setzen Sie auf Europa?
Ich bin mir bewusst, dass mein Besuch zu einem herausfordernden Zeitpunkt für Deutschland und Europa erfolgt. Sie sind von der Eurokrise stark betroffen und die EU erwartet von Ihnen eine Führungsrolle.
Wir müssen die Tatsache im Auge behalten, dass die europäischen Investitionen in Gesundheit und Entwicklung in der Welt das Leben von Millionen Menschen retten, indem wir Krankheiten behandeln und ihnen vorbeugen sowie den Menschen helfen, sich selbst und ihre Familien aus der Armut zu befreien.
Ich möchte dafür argumentieren, dass trotz Ihrer gegenwärtigen wirtschaftlichen Herausforderungen die Fortsetzung Ihrer Investitionen in Entwicklungshilfe die richtige Sache ist, nicht nur für die Ärmsten der Welt, sondern auch für Deutschland und die breitere europäische Gemeinschaft.
ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.