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Wiederaufbau ist der Schlüssel

von Detlef Dzembritzki · 8. Oktober 2008
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Seit Anfang 2002 ist die Bundeswehr in Afghanistan präsent. In Folge der Terroranschläge auf die Twin Towers in New York wurde das Al'Qaida-Netzwerk in Afghanistan bekämpft, die Taliban-Regierung entmachtet und durch Sicherheitsratsbeschluss der UN eine Interimsregierung eingesetzt. Dem folgten Petersberg-Prozess, Präsidenten- und Parlamentswahl. Die internationale Gemeinschaft sah und sieht sich in der Pflicht, das nach fast 30 Jahren Krieg und Bürgerkrieg total zerstörte Land beim Wideraufbau zu unterstützen. Zum siebten Mal entscheidet der Bundestag über die Verlängerung des Mandats der Bundeswehr in Afghanistan. Die Zustimmung ist ohne Alternative, denn der Aufbau erfordert einen langen Atem in Bezug auf Sicherheit, die mittelfristig nur durch die internationale Militärpräsenz gewährleistet werden kann.

Doch liegt im zivilen Wiederaufbau der eigentliche Schlüssel für eine langfristig wirkende, friedliche Entwicklung Afghanistans. Um diesen Wiederaufbau, der eigentlich ein kompletter Neuaufbau ist, zu ermöglichen, wird Afghanistan noch für eine lange Zeit auf unsere Hilfe angewiesen sein. Dabei gilt der Grundsatz: Ohne Wiederaufbau keine Sicherheit; aber auch: ohne Sicherheit kein Wiederaufbau. Im Afghanistan Compact von 2006 wurden Mindestanforderungen festgelegt, die erfüllt sein müssen, bevor die internationalen Truppen wieder abziehen können. Ein wichtiges Ziel ist der Aufbau der afghanischen Armee, der erhebliche Fortschritte gemacht hat, aber noch nicht abgeschlossen ist. Die Bundeswehr beteiligt sich an diesem Aufbau und sorgt im Norden Afghanistans für Sicherheit. Unsere Soldatinnen und Soldaten verdienen unseren Respekt und unsere Anerkennung für diesen schwierigen und gefährlichen, aber unabdingbar notwendigen Einsatz.

Die Bundeswehr muss ein Zeitfenster schaffen

Der Wiederaufbau Afghanistans zeigt einige beachtliche Erfolge, beispielsweise in den Bereichen Energie, Schulbildung, Gesundheit und Infrastruktur, ist aber vor Rückschlägen nicht gefeit. Der Polizei- und Justizaufbau muss erheblich forciert werden. Bei zahlreichen Reisen konnte ich mir ein Bild vom bewundernswerten Engagement vieler Entwicklungshelfer machen. Das Militär kann immer nur ein Zeitfenster schaffen, in dem der Wiederaufbau beginnen muss. Dies ist in Afghanistan der Fall, dennoch gibt es gerade auf diesem Gebiet einige zentrale Probleme, die es dringend abzustellen gilt:
Die Zusammenarbeit der internationalen Organisationen - der nichtstaatlichen und der staatlichen gleichermaßen - muss sich deutlich verbessern.

Ich habe bei Gesprächen vor Ort und mit zahlreichen Experten immer wieder gehört, dass Hilfe nicht ankommt, weil Doppelzuständigkeiten bestehen, weil sich die Geber nicht absprechen, weil unterschiedliche Ansätze nicht koordiniert werden. In einigen Fällen liegen die Konzepte zu weit auseinander, in anderen Fällen sind es traditionelle, kleinkarierte Kompetenzstreitigkeiten. Auch wir Deutschen müssen uns dieser Herausforderung stellen. Aber: Das Engagement in Afghanistan ist zu wichtig, als dass wir - die internationale Gemeinschaft - uns dieses Kompetenzwirrwarr länger leisten können.

zivile Unterstützung bündeln, Doppelzuständigkeiten abschaffen

Nur wenn wir die zivile Unterstützung effektiv bündeln und Doppelzuständigkeiten abbauen, können wir unser Engagement stärker auf den Aufbau von langfristigen Strukturen in der Verwaltung und den Ministerien in Afghanistan verlagern. Sie werden das Rückgrat eines eigenen, stabilen afghanischen Staates bilden. Denn noch ist der afghanische Staat viel zu schwach. Hier gilt es massiv zu investieren, denn nur ein effektiver Staat kann, zusammen mit einer stärker werdenden Zivilgesellschaft, dem Land langfristige Stabilität bieten.

Wir verlangen aber auch mehr Engagement von der afghanischen Regierung. Sie muss mehr tun gegen Korruption, die das Land - und zwar alle Bereiche - von innen heraus zerstört und den Wiederaufbau massiv behindert. Wir sollten bei allen diesen Aspekten nicht vergessen: Wir wollen den Menschen in Afghanistan helfen, wieder auf eigene Beine zu kommen und in Frieden einen eigenen afghanischen Weg zu gehen. Daran haben aber auch wir ein ureigenstes Interesse: Das Land am Hindukusch darf nicht wieder zum Hort für den internationalen Terrorismus werden, wie dies vor 2001 der Fall war.

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