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Wie Renzi sich beim Referendum in Italien selbst schadete

Im Frühjahr zeichnete sich eine breite Mehrheit der Italiener für die Verfassungsreform ab. Dann erklärte Ministerpräsident Matteo Renzi das Referendum zu einer Vertrauensabstimmung über seine Person. Und verlor damit die Mehrheit.
von Ernst Hillebrand · 5. Dezember 2016
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Die Niederlage der Regierung bei dem Verfassungsreferendum am vergangenen Sonntag eröffnet eine neue Zwischenphase der italienischen Politik: Die parlamentarischen Mehrheiten und die Verfassung bleiben, aber die personellen und parteipolitischen Konstellationen werden sich neu sortieren.

Matteo Renzi ist der Hauptverlierer des Referendums

Hauptverlierer ist eindeutig Premierminister Matteo Renzi. Renzi hatte sich im Frühjahr dazu entschlossen, das gesetzlich notwendige Verfassungsreferendum zu einem Plebiszit über seine Regierungsarbeit zu stilisieren. Er tat dies angesichts von Umfragen, die eine breite Zustimmung zur Verfassungsreform signalisierten. Mit dieser politischen Aufladung des Referendums hat er  nicht nur sich selbst, sondern auch dem Land keinen Gefallen getan. Es war diese Personalisierung und Politisierung der Verfassungsfrage, die es den 70 Prozent der Italiener, die keine Wähler der Partito Democratico, der Demokratischen Partei Italiens sind, so schwer machte, für eine Reform zu stimmen, die sie in der Mehrheit im Grunde für richtig halten.

Renzi hat bereits angekündigt, dass er nun zurücktreten wird. Es ist kaum vorstellbar, dass der Staatspräsident Sergio Mattarella dieses Rücktrittsgesuch ablehnt. Die PD wird nun im Rahmen der bestehenden Koalition mit kleineren Partnern im Mitte-Rechts-Lager versuchen, eine Übergangsregierung zu bilden. Deren Kernauftrag ist die Verabschiedung des Staatshaushaltes 2017 und die Formulierung eines neuen Wahlrechts, das die zugespitzte Mehrheitslogik des aktuellen Wahlrechts abändert. Die Opposition, vor allem Silvio Berlusconi, hat bereits angedeutet, für diese Reform zur Verfügung zu stehen. Das Berlusconi-Lager wie die PD sind von der Sorge getrieben, dass das aktuelle Wahlrecht dem Movimento 5 Stelle zu einer absoluten Parlamentsmehrheit verhelfen könnte.

Renzis Kurs der Mitte ist gescheitert

Nach Verabschiedung eines neuen Wahlrechts wird tendenziell mit vorgezogenen Neuwahlen im ersten Halbjahr 2017 gerechnet. Aber sicher ist das nicht. Denn das Ausmaß der Niederlage  hat die Karten auch innerhalb der PD neu verteilt. Im Moment kann niemand sagen, wie sehr Matteo Renzi durch das gestrige Debakel auch als Parteivorsitzender geschwächt ist. Vor Neuwahlen müssten erst einmal die innerparteilichen Konflikte geklärt werden: Ein Teil der Partei, vor allem vom linken Flügel, hat für die Ablehnung der Verfassungsreform geworben, die übergroße Mehrheit für die Annahme. Grundsätzlich bedeutet das gestrige Ergebnis für die PD eine Zäsur: Der Kurs Renzis, die Partei in die Mitte zu drängen und sich immer stärker vom linken Erbe zu verabschieden, muss als gescheitert betrachtet werden. Eine Repositionierung erscheint angebracht, aber es ist im Moment nicht absehbar, wie dieser Prozeß organisiert werden wird. 

Klarer sind dagegen die Verhältnisse im „Nein“-Lager.  Hier wurde sofort nach den ersten Ergebnissen die Forderung nach Neuwahlen erhoben, vor allem von den 5-Sternen, die sich nach eigenen Worten auf die Übernahmen der Regierungsverantwortung vorbereiten. Die Zeitrechnung Berlusconis ist eine andere: Er hat ein Interesse, dass zunächst das Wahlgesetz geändert wird. Aber dann wird es dem 80-jährigen „Cavaliere“ darum gehen, bei vorgezogenen Neuwahlen ein letztes Mal als Power-broker eine zentrale Rolle bei der Gestaltung von Macht- und Mehrheitsverhältnissen in Italien zu spielen (und darum, ein stabiles politisches Umfeld für seine Unternehmensgruppe zu schaffen).

Wann gibt es Neuwahlen?

Die Frage ist im Moment, ob die PD bereit oder gezwungen sein wird, dieser Dynamik nachzugeben. Die wirtschaftliche Situation, die Instabilität des Bankensektors und die hohe Arbeitslosigkeit sprechen nicht wirklich dafür, dem Land jetzt nahtlos eine erneute Wahlkampf-Phase aufzuzwängen. Die entscheidende Figur wird  daher in den kommenden Tagen und Wochen der Staatspräsident Sergio Mattarella sein. Ihm wird nachgesagt , kein Freund von Neuwahlen zu sein.

Autor*in
Ernst Hillebrand

war Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Polen.

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