Wie Macron die Rückkehr Hollandes in den Elysée verhindern könnte
„Der Kleinunternehmer“ titelte die Zeitung „Libération“ am Mittwoch. Gemeint war Ex-Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, der sich nach seinem Rücktritt ohne Partei im Rücken auf den Weg in den Elysée macht. Erklärt hat der smarte 38-Jährige seine Präsidentschaftskandidatur noch nicht. Doch an seinen Ambitionen ließ der studierte Philosoph in seiner Abschiedsrede im Wirtschaftsministerium am Dienstagabend keinen Zweifel: „Ich bin entschlossen alles zu tun, damit unsere Werte, unsere Ideen, unser Handeln Frankreich ab nächstem Jahr verändern können.“
Macron gilt als Sozialdemokrat
Seit der Gründung seiner Gruppierung „En marche“ (In Bewegung) Anfang April war das Ausscheiden des beliebten Ministers aus der Regierung erwartet worden. War er damit doch klar auf Distanz zu Präsident François Hollande gegangen, der ihn vor zwei Jahren ohne politisches Mandat in die Regierung geholt hatte. „Wenn man verdeckt agiert, hat man Schwierigkeiten, zu überzeugen“, sagte Macron am 12. Juli vor rund 4000 Anhängern in der Pariser Mutualité. Es war eine deutliche Anspielung auf Hollande, der sich lange gescheut hatte, sich selbst als Sozialdemokrat zu bekennen.
Auf offene Kritik am Präsidenten verzichtete Macron, der in Umfragen regelmäßig zum zweitbeliebtesten Politiker nach dem konservativen Ex-Regierungschef Alain Juppé gewählt wird. Der Jungstar, der nur wenige Abgeordnete und Senatoren hinter sich weiß, will bis Ende des Monats eine „Diagnose Frankreichs“ vorlegen. Eine Präsidentschaftskandidatur dürfte Macron erst zum Jahresende verkünden, wenn auch klar ist, ob der unbeliebte Hollande noch einmal antritt. In jedem Fall ist der Staatschef schon jetzt von möglichen Kandidaten am linken und rechten Rand bedrängt: Für den linken Flügel der Sozialisten hat der ehemalige Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg bereits seine Kandidatur erklärt und in der Mitte läuft sich der bekennende Wirtschaftsliberale Macron warm. „Er hat seinen linken Flügel verloren, er verliert seinen rechten Flügel. Es bleiben ihm nur noch die Knochen“, beschrieb der Parteilinke Christian Paul in der Zeitung „Le Figaro“ Hollandes Situation.
„Ich bin kein Sozialist“
Der Präsident, der als politischer Ziehvater des für seine offenen Worte bekannten dynamischen Ex-Ministers gilt, müsste sich im Januar den Vorwahlen der Sozialisten stellen. Auf Macron dürfte er da nicht treffen, denn der ehemalige Banker der Geschäftsbank Rothschild hatte seine Parteimitgliedschaft 2009 ausgesetzt. „Die Ehrlichkeit verpflichtet mich, Ihnen zu sagen, dass ich kein Sozialist bin“, bekannte Macron vor kurzem vor Journalisten. Er verstehe sich aber als politisch „links“, versichert er immer wieder.
„Er muss sich in Marsch setzen für den Fall, dass Hollande nicht antritt“, forderte der Macron nahestehende sozialistische Bürgermeister von Lyon, Gérard Collomb, Für diesen Fall hält sich allerdings auch Regierungschef Manuel Valls bereit, der in den vergangenen Wochen zum Hauptgegner Macrons in der Regierung wurde. „Es wird Zeit, dass das aufhört“, sagte der Premierminister zum Auftritt des Politstars in der Mutualité. Der 54-Jährige versteht sich selbst als Verkörperung des Reformflügels innerhalb der Sozialisten, der mit einer Kandidatur Macrons zu zersplittern droht. In einer Rede vor Sozialisten im südfranzösischen Colomiers schien Valls sich am Montagabend schon einmal für ein Duell mit Macron warmzulaufen. „Man improvisiert sich nicht zum Kandidaten“, sagte er mit Blick auf den Wirtschaftsminister. „Diese Zeit verlangt Ernsthaftigkeit, Erfahrung, Autorität“ - Eigenschaften, die der ehemalige Innenminister seinem Gegner abspricht.
Christine Longin begann ihre journalistische Laufbahn bei der Nachrichtenagentur AFP, wo sie neun Jahre lang die Auslandsredaktion leitete. Seit vier Jahren ist sie Korrespondentin in Frankreich, zuerst für AFP und seit Juli für mehrere Zeitungen, darunter die Rheinische Post.