Wie erneuerbare Energien über unsere Zukunft entscheiden
Thomas Trutschel/photothek.net
„Bedienen wir uns der Friedensdividende der Energiewende!“ In anspruchsvoll formuliertem Deutsch bedankte sich Amory Lovins für das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse. Der amerikanische Physiker und Mitbegründer des „Rocky Mountain Institute“, den man auch „Vater der Energiewende“ nennt, erhielt den Orden Ende vergangene Woche beim „Berlin Energy Transition Dialogue“.
Die zweitägige Konferenz unter gemeinsamer Leitung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel versammelte zahlreiche hochrangige Gäste aus 74 Staaten, darunter mehrere Minister. Rund tausend Teilnehmer stellten sich der Frage, ob und wie der internationale Wandel hin zu einer sicheren, umweltverträglichen und kosteneffizienten Energieversorgung gelingen kann.
Energiepolitik ist Sicherheitspolitik
Außenminister Steinmeier eröffnete den ersten Tag mit der Prämisse, dass die Energiewende nicht nur volkswirtschaftlich sinnvoll sei. „Nachhaltige Energieversorgung ist auch ein wichtiges außenpolitisches Thema“, betonte er. Die derzeitige weltpolitische Lage voller Krisen und Konflikte stelle die globale Energiepolitik vor neue Herausforderungen. Umso wichtiger sei deshalb der Ende vergangenen Jahres erzielte Erfolg bei den Klimaverhandlungen in Paris als Ausdruck gemeinsamer Handlungsfähigkeit.
Jetzt geht es allerdings um die mühsame Aufgabe der Umsetzung. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel betonte: „Fast drei Viertel der globalen Treibhausgase stammen aus Energieanlagen.“ Internationale Zusammenarbeit sei gefordert, um den vereinbarten Wandel voran zu bringen. Vor allem dürften Ökologie und Ökonomie nicht gegeneinander stehen. Dass rege Geschäftstätigkeit nicht unbedingt mehr Treibhausgase erzeugt, zeigte Fatih Birol, Chef der Internationalen Energieagentur, an Hand des Trends der letzten beiden Jahre. Effizientere Produktionsweisen und immer mehr klimafreundliche Erneuerbare ermöglichen eine allmähliche Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Emissionsanstieg.
Die globale Energienachfrage steigt weiter
Gleichzeitig ist der internationale Transformationsdruck groß, denn ein Fünftel der Weltbevölkerung hat bisher überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität. Die globale Energienachfrage wird also noch stark steigen. Erneuerbare Energien sind hier die Lösung, um die Klimaziele nicht zu verfehlen, so Adnan Amin, Generaldirektor der Internationalen Organisation für Erneuerbare Energien (IRENA).
Allerdings gilt dies nur, wenn bis 2030 der Anteil der Erneuerbaren am weltweiten Energiemix verdoppelt wird. So könnten auch 24,4 Millionen neue Jobs entstehen, wie die aktuelle Ausgabe des IRENA-Fahrplans für Erneuerbare vorrechnet. Vorausgesetzt, die notwendigen Rahmenbedingungen werden geschaffen.
Den Erneuerbaren weltweit zum Durchbruch verhelfen
Nicht alle Teilnehmer der verschiedenen Podiumsrunden fühlten sich allerdings bei der Vorstellung einer weltweiten Energiewende wohl. Vor allem ein Thema trieb viele Experten um, darunter auch Tunesiens Bergbau- und Energieminister Mongi Marzouk: die Kostenfrage!
Einerseits ist der Preis für eine Kilowattstunde Photovoltaikstrom aus großen Anlagen weltweit auf acht Eurocent gesunken, betonte Wirtschaftsstaatssekretär Rainer Baake. Das sind 80 Prozent weniger als noch vor fünf Jahren. Erneuerbare sind kein Luxusgut mehr, sondern Massenware. Andererseits fallen die Kosten nicht wie bei der fossilen Erzeugung im täglichen Betrieb an, sondern schon beim Bau der teuren Anlagen für Wind- und Sonnenstrom. Ähnliches gilt für die Energieeffizienz. Anfangsinvestitionen lohnen sich erst viel später.
Nicht nur in den Schwellen- und Entwicklungsländern braucht es deshalb innovative, individuell angepasste Finanzierungsmodelle, so ein Fazit der Diskusssionen. Erfolgslösungen wie die deutsche Einspeisevergütung können nicht einfach kopiert werden. Neue Begegnungsplattformen zwischen Investoren, Regierungen und der Geschäftswelt wären hilfreich, hieß es bei Gesprächen am Rande der Konferenz.
Amory Lovins: In den 70er verlacht, heute gefeiert
Umweltministerin Barbara Hendricks, die den zweiten Konferenztag eröffnete, vertiefte die Frage, wie die klimafreundliche Transformation gelingen kann. Eine Kopplung der Sektoren Elektrizität, Wärme und Transport sei der notwendige nächste Schritt, so Hendricks. Amory Lovins als frisch gekürter Bundesverdienstkreuzträger unterstützte ihr Anliegen. Während seiner Auszeichnung hatte er noch zurückgeblickt und Mitstreitern wie Hermann Scheer und Klaus Traube gedankt.
Tags drauf schaute Lovins in die Zukunft und sprach von der „Neuerfindung des Feuers“. Darunter versteht er radikale Effizienzmaßnahmen durch integriertes Design, choreographierte variable erneuerbare Energieerzeugung, die Nutzung der Informationstechnologien und ein völlig verändertes Mobilitätsverhalten. Mitte der 70er-Jahre, als Lovins seine Thesen von der sanften Energie entwickelte, wurde er dafür ausgelacht. Heute sind viele seiner Visionen Wirklichkeit geworden. Es gibt also wenig Grund an der Machbarkeit seiner Vorstellungen zu zweifeln.