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Wie eine neue Ostpolitik der SPD aussehen sollte

Seit zwei Jahren führt Russland Krieg in der Ukraine. Die seit 1991 angebotene enge Partnerschaft hat Moskau nicht davon abgehalten, die europäische Friedensordnung anzugreifen. Das erfordert ein Umdenken in der deutschen und europäischen Ostpolitik. Die SPD muss ihren Kurs gegenüber Russland ändern.
von Jan Claas Behrends · 13. Juli 2016
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Der Krieg in der Ukraine, die offene Bedrohung unserer Verbündeten in Osteuropa und die russische Politik des hybriden Angriffs auf die Europäische Union sind die bedeutendsten sicherheitspolitischen Herausforderungen seit Ende des Kalten Krieges. Es ist offensichtlich, dass der Vorrang für Russland, der die Ostpolitik lange bestimmt hat, nicht zu Frieden in Osteuropa geführt hat. Im Gegenteil: Das enge Verhältnis zu Berlin scheint den Kreml eher dazu ermutigt zu haben, in die Offensive zu gehen.

Das Recht des Stärkeren darf nicht zurückkehren

Die SPD hat die autoritäre Entwicklung im Kreml zu lange ausgeblendet. Heute legitimieren sich die Herrschenden in Moskau innenpolitisch primär durch einen Konflikt mit ihren westlichen Nachbarn, den sie selbst angezettelt haben. Berlin und die Europäische Union hatten sich Russland als Partner gewünscht. Nun gilt auf die aggressive Politik des Kremls besonnen, aber doch entschieden reagieren.

Leitbegriffe sozialdemokratischer Politik wie Freiheit, Solidarität und gemeinsame Verantwortung für den Frieden können dabei im Sinne Willy Brandts als Leitfaden einer neuen Ostpolitik dienen. Ziel muss sein, Stabilität und Völkerrecht auch im Osten Europas zu verteidigen. Das Recht des Stärkeren darf nicht zurückkehren. Denn das Recht der europäischen Völker auf Frieden kennt keine regionalen Unterschiede.

Ostpolitik ist keine Russlandpolitik

Wo müssen wir umdenken? Die SPD muss lernen, dass Ostpolitik heute keine reine Russlandpolitik mehr sein kann. Im Unterschied zum Kalten Krieg, als der Schlüssel zur deutschen Frage in Moskau lag, haben wir es nun mit einem Raum zu tun, in dem Nationen, die seit 1989 demokratische Ordnungen aufgebaut haben, durch die imperiale Ambition Russlands bedroht sind. In der Tradition Willy Brandts stehend sollte die deutsche Sozialdemokratie sich hier entschieden auf die Seite von Freiheit und Demokratie, gegen Autoritarismus und Imperialismus stellen.

Unsere Verbündeten und Partner in Osteuropa sind die Polen, die Balten, die Ukrainer, die Moldawier, die Georgier. Es lohnt sich, ihnen dabei beizustehen, ihre freiheitliche Ordnung zu verteidigen. Den Schulterschluss mit dem Kreml sollten Sozialdemokraten getrost Linkspartei und AfD überlassen. Ihnen gebührt die Nähe zu autoritären Herrschern – unsere Tradition verbietet sie uns.

Es ist nicht die Zeit der Anbiederung

Deutschland hat ein fundamentales Interesse an guten Beziehungen zu Russland. Sie sind auch historische Verpflichtung. Doch zugleich müssen wir einsehen, dass die demokratische Entwicklung, die unter Gorbatschow begonnen wurde, bereits in den 1990ern beendet wurde. Heute ist Russland ein Land, im dem Willkür, Rechtlosigkeit und die Unterdrückung der Zivilgesellschaft den Alltag bestimmen . Jeder, der russische Freunde hat, kennt und teilt ihre Sorgen um die Entwicklung der letzten Jahre. Unsere Sympathie und Unterstützung sollte den zivilgesellschaftlichen Kräften in Russland gelten.

Treten wir dem Kreml gegenüber selbstbewusst auf und machen wir deutlich, dass wir Freiheit und Menschenwürde höher schätzen als lukrative Pipelinegeschäfte. Natürlich sollten wir gerade jetzt die über Jahrzehnte aufgebauten Foren des Dialogs auch mit Moskau weiter nutzen und nach gemeinsamen Lösungen suchen. Doch dies ist nicht die Zeit der Anbiederung gegenüber einem autoritären Herrscher. Dies ist die Zeit für eine Ostpolitik, die auf Freiheit und Solidarität gründet und sich die Verantwortung für das gesamte Osteuropa zu ihrem Leitfaden macht.

Lesen Sie hier, „warum Europa eine neue Ostpolitik braucht“.

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Autor*in
Jan Claas Behrends

ist Osteuropahistoriker am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschun(ZZF) in Postdam leitet dort das Forschungsnetzwer "Legacies of Communism" und unterrichtet an der Humboldt Universität zu Berlin. Er ist Mitglied des SPD-Geschichtsforums.

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