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Wie die US-Demokraten nach dem Trump-Sieg den Neuanfang versuchen

Nach der Niederlage gegen Donald Trump tobt bei den Demokraten ein Richtungsstreit: Dabei geht es um die Frage, wie die Demokraten die wachsende Kluft zwischen Stadt und Land schließen können.
von Judith Klose · 20. Dezember 2016
Richtungsstreit der US-Demokraten: Nancy Pelosi steht für das "Establishment", Bernie Sanders (r.) für den linken Flügel.
Richtungsstreit der US-Demokraten: Nancy Pelosi steht für das "Establishment", Bernie Sanders (r.) für den linken Flügel.

Seit der Wahl Donald Trumps vergeht kein Tag ohne Gänsehaut und Kopfschütteln. Erzkonservativ bis stramm rechts sind die zukünftigen Minister, die vom Schattenkabinett ins Licht der Politik wechseln. Bei Trumps ersten internationalen Anrufen machte er Jahrzehnte diplomatischer Bemühungen zunichte. Und seine wirtschaftlichen Interessen werden immer verwobener mit seinem politischen Handeln. Es zeigt sich: Trump wird nicht den Sumpf austrocknen – einer seiner Wahlkampfschlager der letzten Monate. Die Politik des Landes wird im Sumpf ertrinken.

Warum verlor Clinton gegen Trump?

Doch die Scheinwerfer sind ihm sicher. Er weiß die mediale Bühne mit seinen Provokationen zu bedienen. Die Scheinwerfer auf die Demokraten sind jedoch verglüht. Während Trump täglich neue Skandale produziert, steckt die Demokratische Partei mitten in den Aufräumarbeiten. Fehlte Hillary Clinton nur die Authentizität? Wieso galt sie als Elite und der steinreiche Trump nicht? Wieso konnten Emails Clinton mehr schaden als Trump sein sexistisches, rassistisches und respektloses Verhalten? Und wie weit haben sich die Demokraten wirklich von den Problemen der Menschen entfernt?

Bernie Sanders würde auf die letzte Frage sagen: Sehr! Schon kurz nach dem Wahlergebnis rief er die Demokratische Partei dazu auf, wieder zur Partei der Arbeiter zu werden. „Die Demokratische Partei muss sagen, dass wir auf der Seite der 99 Prozent sind“, schrieb Sanders bei Facebook. Auch Elizabeth Warren, die linke Senatorin aus Massachussets schlug in die gleiche Kerbe und meinte, dass Menschen sich von Washington verlassen fühlten. Doch nicht alle befürworten einen Neuanfang. Hinter vorgehaltener Hand geben manche allein Hillary die Schuld. Sie betonen, dass vor allem die Republikaner ein Problem hätten: Junge Wähler, Schwarze und Latinos würden auf lange Sicht den Republikanern nicht mehr vertrauen. Doch damit verschließen die Demokraten ihre Augen vor der Realität – der absoluten Übermacht der Republikanischen Partei.

Der Kampf zwischen den Flügeln der Partei

Der Neuanfang ist daher unausweichlich und damit der Kampf zwischen zwei Flügeln der Partei: dem Washingtoner Establishment und der linken Graswurzelbewegung. Mit Nancy Pelosi wählten die Demokraten die alte Fraktionsvorsitzende auch zur neuen.  Die 76jährige Pelosi setzte sich mit Zweidrittel der Stimmen gegen den 43jährigen Tim Ryan durch. Alt gegen jung, hippes Kalifornien gegen das Arbeiter- und Bauern-Ohio. Hier scheinen die Demokraten nicht aus der Lektion gelernt zu haben. Der Neuanfang scheint sich eher auf der Seite des Parteivorsitzes anzubahnen. Verschiedene Kandidaten haben ihren Hut ins Rennen geworfen. Die meiste Unterstützung erfährt Keith Ellison, ein afroamerikanischer, muslimischer Abgeordneter aus Minnesota. Der linke Flügel rund um Bernie Sanders unterstützt ihn. Der Washington-Flügel lächelt eher verhalten. Das liegt auch an der Stellung des Parteivorsitzes – in den USA ist das eher jemand, der nur den Bus zur Verfügung stellt, statt diesen wirklich zu fahren. Der Fraktionsvorsitz ist wichtiger.

Geschieht eine Neuausrichtung bei den Themen? Der Washington-Flügel betont, dass die Menschen bei dieser Wahl nicht nach Inhalten gewählt haben und sie die richtigen Konzepte haben. Auf dem linken Flügel ist jedoch der wirkliche Konflikt entbrannt – zwischen denen, die die Rechte von Frauen, LGBT und Minderheiten als wichtig ansehen und denen, die die Interessen der Arbeiter nach vorne stellen möchten. Das Verständnis in San Francisco, New York und Washington für die Anliegen in Wisconsin und Iowa sei verloren gegangen. Hier versucht Sanders zu schlichten: Die Anliegen aller Arbeiter sind wichtig – und nicht nur der weißen Arbeiter, die Trump den Wahlsieg beschert haben.

Politik für Stadt und Land gesucht

Lassen sich also Gleichstellung, Minderheitenrechte und Gesellschaftspolitik so mit der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik vereinen, dass der urbane Hipster aus Brooklyn genauso angesprochen wird wie der Stahlarbeiter in Cleveland? Diese Frage wird nicht nur die Demokratische Partei, sondern auch die SPD in der Zukunft beschäftigen.

Autor*in
Judith Klose

leitet das Büro des stellv. Parteivorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel im Willy-Brandt-Haus.

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