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Wie die Halbinsel russisch wird

von Jörg Hafkemeyer · 4. August 2014

Vor viereinhalb Monaten hat Russland die Krim annektiert. Nun investiert Moskau viel Geld: In die Schwarzmeerflotte und in die Tourismuswirtschaft der Halbinsel. Die letztere würde andernfalls zusammenbrechen, denn die internationalen Gäste bleiben in diesem Jahr weg.

Die Krim im Sommer 2013 mit ihren wunderschönen Küsten am Schwarzen Meer. Mit den herrlichen Uferpromenaden in Jalta und Sewastopol. Mit den herrlichen Parkanlagen und Weinfeldern. Den vielen Touristen, die aus Russland, der Türkei, Griechenland und Westeuropa, aus der Ukraine auf die berühmte Halbinsel kamen per Flugzeug, mit dem Auto oder mit dem Kreuzfahrtschiff. Das ist alles erst ein Jahr her. Nach der russischen Annexion der Krim Anfang März dieses Jahres bleiben die internationalen Gäste weg. Die ukrainischen auch. Halb vergessen, beladen mit Problemen ist die Halbinsel nun wieder russisch, zumindest aus der Sicht Moskaus.

Kein Anrainerstaat des Schwarzen Meeres sieht in der gewaltsamen russischen Aneignung der Krim ein vom Völkerrecht gedecktes Verhalten. Die politischen Mittel gegen diese Art von  staatlichem Landraub sind für Bulgarien und Rumänien, die Türkei und Georgien begrenzt, die ökonomischen ebenfalls. Gleiches gilt für die Europäische Union und die USA. Nichts deutet darauf hin, dass Russland die Krim wieder der Ukraine zurückgeben wird.

Die russische Flotte wird aufgerüstet

Die neue Regierung unter Ministerpräsident Sergej Axjonow ist dabei, die Halbinsel russisch zu machen. Polizei und Armee sind russisch. Über dem Regierungssitz in Simferopol weht die russische Fahne. Russisch ist die offizielle Sprache und russisch ist auch der Geheimdienst. In Sewastopol liegt nun wieder nur die russische Flotte. Diese Schwarzmeerflotte soll bis zum Jahr 2020 modernisiert und massiv aufgerüstet werden. Das Verteidigungsministerium in Moskau will sie um 20 Kriegsschiffe verstärken, die auch auf der russischen Marinebasis Tartus in Syrien stationiert werden sollen. Tartus wird ebenfalls modernisiert mit russischen Geldern.

Die Um- und Aufrüstung der russischen Marine wird vor allem von den Regierungen in Tiflis, Ankara, Bukarest und Sofia mit Hilflosigkeit und Sorge gesehen. Zumal nach der Annexion der Krim in den vier Hauptstädten sowie innerhalb der EU die Empörung groß war, die praktischen Reaktionen jedoch schwach ausfielen.

Premier Axjonows Regierung und seine Hintermänner haben das nicht vergessen. Jetzt, vor den Wahlen Mitte September, spielt für sie der Westen nur noch insofern eine Rolle, als sie von den neuen EU-Sanktionen gegen Russland betroffen sein könnten. Einer dieser Hintermänner ist Konstantin Malofejew. Der 40 Jahre alte Oligarch ist ein reicher, mächtiger Mann, der Axjonow sehr gut kennt. Der nun kennt die Anführer der in der Ostukraine kämpfenden Banden: Alexander Borodai und Igor Girkin. Es gibt wahrscheinlich in der Ukraine keinen wichtigeren Finanzier der selbsternannten Separatisten als Malofejew, der während der russischen Annexion der Schwarzmeerhalbinsel sehr engen Kontakt zu Axjonow hatte. Der wiederum ist bei der russischen Mafia unter dem Spitznamen „Goblin“ bekannt.

Putin profitiert von einer Welle des Patriotismus

Axjonow ist nicht arm und hat sich nach den über ihn vorliegenden Informationen in den vergangenen zwei Jahrzehnten ein nicht kleines Unternehmen aus verschiedenen Firmen „zusammenorganisiert“. Ob das immer legal geschehen ist, ist nur schwer nachzuprüfen. Mehrfach wurden Anschläge von konkurrierenden Banden auf ihn verübt. Er ist immer wieder davon gekommen und mit Wladimir Putin gut bekannt. Der hat in seiner von oben gelenkten „Demokratur“ die Mehrheit der Russen weiterhin hinter sich, was Sergej Axjonow zu der Bemerkung veranlasste: „Wir müssen jetzt die hohe patriotische Mobilisierung ausnutzen, um voranzukommen.“

Und das geschieht. Mit Geld. Mit sehr viel russischem Geld. Viel anderes hat Moskau auch nicht zu bieten. Denn die Preise steigen und die internationalen sowie die ukrainischen Besucher kommen nicht mehr. Internationale Investitionen wird es vorläufig wegen der EU-Sanktionen nicht geben. Es ist ein heißer Sommer in diesem Jahr. Während sich die zwei Millionen Krim-Bewohner,  neue russische Pässe besorgen und ihre Autos ummelden, ist die Sommersaison wirtschaftlich ein Reinfall. Moskau wird das finanziell ausgleichen. In Rubel. Der ist seit dem 1. Juni die offizielle Währung.

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Autor*in
Jörg Hafkemeyer

ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).

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