International

Wie die EU zu neuer Stärke findet

Die Europäische Union ist unter Druck, von außen und von innen. Andrea Nahles plädiert für mehr Zusammenhalt – in vielen Bereichen.
von Andrea Nahles · 29. August 2018
Teilnehmer eines March of Europe
Teilnehmer eines March of Europe

Als die Europäische Union 2012 den Friedensnobelpreis bekam, waren wir Europäer aus guten Gründen stolz. Bei der Verleihung sagte der damalige Nobelkomitee-Vorsitzende Thorbjørn Jagland, die EU habe die Brüderlichkeit und den Frieden zwischen den Nationen gefördert. Nun aber stecke Europa in Schwierigkeiten – und der ­einzige Ausweg daraus sei Solidarität. Das ist fast sechs Jahre her, heute aber richtiger denn je: Euroskeptische, populistische und nationalistische Kräfte sind überall auf dem Vormarsch. Von außen wird Europa zunehmend unter Druck gesetzt.

Herausforderungen bewältigen

Dass der solidarische Zusammenhalt in Europa abgenommen hat, kommt nicht von ungefähr. Europa hat in den vergangenen Jahren zu wenig Solidarität geübt, nicht nur in der Finanzkrise und der Flüchtlingspolitik. Im Europäischen Haushalt fehlen die Mittel und Maßnahmen, um einer Angleichung der Lebensverhältnisse in Europa neue Dynamik zu geben.

Die anstehende Europawahl und die europäischen Haushaltsverhandlungen sind wichtig, um diese Politik nun hinter uns zu lassen. Wir brauchen einen neuen Geist, ­einen solidarischen Geist für die Zusammenarbeit in Europa. Solidarität bedeutet, andere zu unterstützen, auch wenn man selbst nicht unmittelbar betroffen ist – und umgekehrt. Viele Herausforderungen lassen sich mit einer solidarischen europäischen Politik besser bewältigen als mit nationalen Egoismen und Alleingängen.

In Europa investieren

Beispiel Arbeitsplätze: Wir brauchen mehr Wachstum in Europa, um gute Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen. Eine Angleichung der Lebensverhältnisse in Europa bedeutet nicht nur steigende Nachfrage und neue Jobs. Sie bedeutet auch weniger Lohngefälle und Lohndumping und mehr Wettbewerb über die Qualität, nicht über den Preis. Vor uns liegt die Aufstellung des europäischen Haushalts für die Jahre 2021 bis 2027. Es liegt im ureigenen deutschen Interesse, jetzt in den Zusammenhalt Europas zu investieren: in den Ausbau der Infrastruktur und in gemeinsame Forschung, in die wirtschaftliche Entwicklung und den Strukturwandel in vielen Teilen Mittel- und Osteuropas.

Auch für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen müssen im neuen Haushalt Mittel bereitgestellt werden. Um sicherzustellen, dass der wirtschaftliche Aufschwung auch bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt, brauchen wir europäische soziale Mindeststandards. Olaf Scholz hat einen Vorschlag gemacht, wie alle Mitgliedstaaten mit einem solidarischen Rückversicherungssystem schneller und besser auf Konjunktureinbrüche reagieren können – auch das ist ein konkreter Punkt für ein solidarisches Europa.

EU-Digitalsteuer einführen

Beispiel Wirtschaft: Wir können uns gegen die USA und China nur behaupten, wenn Europa gemeinsam handelt. Zum Beispiel, indem wir mit einer europä­ischen Digitalsteuer dafür sorgen, dass Internetplattformen mit Sitz in Steueroasen ihre Gewinne nicht aus Europa heraus transferieren können. Aber auch, indem wir uns mit einer entschlossenen europäischen Außenhandelspolitik den Zollangriffen der neuen US-Regierung entgegenstellen. Kein europäisches Land wäre alleine in der Lage, sich in den aktuellen Handelsauseinandersetzungen zu behaupten.

Beispiel Flüchtlingspolitik: Nicht jedes Land kann und muss die gleichen Aufgaben übernehmen und die gleiche Art von Beitrag leisten. Klar ist nur: Die Mitgliedstaaten, die europäische Aufgaben übernehmen, müssen auch Unterstützung aus dem europäischen Haushalt bekommen. Europa kann über eine solidarische Politik neue Stärke entfalten. Hierfür zu werben und Mehrheiten zu organisieren, ist die Aufgabe der Sozialdemokratie in Europa: Packen wir es an!

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