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Wie die EU-Kommission den Energiemarkt reparieren will

Extrem hohe Gaspreise bescheren einigen Unternehmen im Energiesektor derzeit satte Extra-Gewinne. Diese Übergewinne will die EU abschöpfen, die Kommission kommt damit Forderungen einiger EU-Länder nach. Doch es gibt noch offene Fragen.
von Benedikt Dittrich · 14. September 2022
Hohe Strompreise, sehr hohe Gewinne: Durch den hohen Gaspreis ist der Strommarkt in eine Schieflage geraten.
Hohe Strompreise, sehr hohe Gewinne: Durch den hohen Gaspreis ist der Strommarkt in eine Schieflage geraten.

Als die Ampel-Koalition Anfang September das dritte Entlastungspaket vorstellte, kam auch eine Forderung in Richtung Europa hinzu: „Zufallsgewinne“ von Energieunternehmen sollten möglichst bald schon auf EU-Ebene abgeschöpft werden und nicht allein in den Nationalstaaten. In Brüssel wurde damals schon daran gearbeitet, nun sprach Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sich offiziell im Europaparlament dafür aus. Geregelt werden soll das Medienberichten zufolge über eine EU-Verordnung, die die Länder dann umsetzen.

Wie von der Leyen am Mittwoch in ihrer Rede zur Lage der EU erklärte, sollen Energiefirmen so bald einen Teil ihrer Gewinne abgeben. Explizit sprach sie von Rekordgewinnen, die sich aus der aktuellen Kriegssituation ergeben. Die Kommission will dabei diejenigen in die Pflicht nehmen, die mit Erneuerbaren Energien oder mit fossilen Energieträgern derzeit verhältnismäßig günstig Energie erzeugen. Die Kommission hofft, auf diesem Weg rund 140 Milliarden Euro einzunehmen. Damit sollen dann Verbraucher*innen entlastet werden. Also Haushalte, aber auch kleine und mittelständische Unternehmen, die unter den aktuell hohen Energiepreisen leiden. Der Strompreis soll künftig gedeckelt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft auf dem Weltmarkt zu erhalten – Deutschland plant dazu bereits eine Strompreisbremse.

Reform des EU-Strommarktes notwendig

Das Grundproblem auf dem Strommarkt in Europa ist klar: Das „Merit-Order“-System führt dazu, dass das teuerste Kraftwerk am Markt, das noch Energie erzeugt, den Preis auch für alle anderen Kraftwerke angibt. So speist eine Windkraftanlage für denselben Preis Strom ein wie ein Gaskraftwerk, das aufgrund des extrem hohen Gaspreises derzeit sehr teuren Strom produziert. Ein Markt-Mechanismus, der möglichst schnell geändert werden soll. Der Strommarkt soll vom Gaspreis entkoppelt werden – was eine sehr tiefgreifende Reform wäre.

Vorhaben, die grundsätzlich auch bei den Sozialdemokrat*innen im EU-Parlament auf Zustimmung stießen. Die Vorschläge seien alle richtig, sagte beispielsweise Jens Geier, Vorsitzender der SPD-Gruppe im Parlament. Er monierte hingegen die Stellen, an denen die Kommissionspräsidentin am Mittwoch geschwiegen hatte: Von der Leyen hatte sich zu einem Gaspreisdeckel nur noch vage geäußert. Auch zum Thema Rechtsstaatlichkeit in EU-Ländern wie Polen und Ungarn, zum versprochenen Initiativ-Recht des Parlaments oder den Vorschlägen aus den Konferenzen zur Zukunft Europas verlor sie kein Wort, bemängelte Geier weiter „Das werden wir ihr nicht durchgehen lassen!“

Außerdem bemängelten die Sozialdemokrat*innen die soziale Kälte der Kommissionspräsidentin: „Bei allen ambitionierten Vorschlägen für Industrie und Unternehmer*innen fällt wieder einmal auf, dass von der Leyen die Kommission nicht als Akteur sieht, der Europäer*innen soziale Absicherung garantiert“, so Geier am Rande der Sitzung. „Doch genau hier liegt der Erfolgsfaktor für die jetzt vorgelegten Vorschläge: EU und Mitgliedstaaten dürfen niemanden zurücklassen – der soziale Frieden ist sonst bedroht. Diese Dimension der Krise hat in von der Leyens Rede gefehlt.“ Außerdem fehlte ihm in der Rede der Kommissionspräsidentin ein konkreter Zeitrahmen zur Umsetzung: „Das Problem ist: Wir haben keine Zeit!“

Auch Kollegin Gaby Bischoff monierte im Parlament in Straßburg: „Es geht die Angst um, bis in die Mittelschicht. Die Angst, in die Armut abzurutschen“, warnte sie eindringlich im Plenum.

Beschluss noch im September möglich

Über die Verordnung, mittels der die übermäßigen Gewinne der Energiefirmen europaweit abgeschöpft werden könnten, könnte zwar schon Ende September abgestimmt werden – dann treffen sich die EU-Minister*innen erneut. Bis zur fertigen Vorlage scheint es aber noch ein langer Weg zu sein.

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