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Wie die EU Griechenland im Euro halten will

Nach einer 19-stündigen Marathonsitzung verständigten sich die Eurostaaten auf ein drittes Kreditpaket für Griechenland. Alexis Tsipras muss in seinem Land harte Eingriffe durchsetzen. Klar ist: Nach einem turbulenten Wochenende werden Verletzungen bleiben, auf beiden Seiten.
von Peter Riesbeck · 13. Juli 2015
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Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras fasste es so zusammen. „Wir haben in einer gerechten Schlacht bis zum Ende gekämpft.“ Neunzehn Stunden hatten die Staats- und Regierungschefs der Eurostaaten zusammengesessen, um über weitere Hilfen für Griechenland zu beraten. Als erhitzt wurde die Situation später beschrieben. Kanzlerin Angela Merkel fasste sich kürzer: Die Atmosphäre „war eigentlich für die vielen Stunden ganz sachlich“, sagte sie. Das ist freundlich umschrieben.

EU nimmt Griechenland in der Pflicht

Denn ein Plan ihrer Bundesregierung aus dem Haus von Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte Europas Gemüter erhitzt. Schäubles Entourage hatte einen vorübergehenden Abschied Griechenlands aus der Eurozone erwogen. Und dafür heftige Kritik eingesteckt. „In Richtung Berlin sage ich: Genug ist genug“, zürnte Italiens sozialdemokratischer Regierungschef Matteo Renzi.

Der Grexit auf Zeit findet sich nicht im Gipfelbeschluss, ansonsten aber diktierte Europa Tsipras seine Forderungen. Bis Mittwoch müssten erste Maßnahmen wie Mehrwertsteuererhöhung, Rentenreform und Umbau der Statistikbehörde im Parlament beschlossen sein, im Gegenzug soll en Verhandlungen aufgenommen werden, damit das Land in den nächsten drei Jahren aus dem europäischen Rettungsfonds bis zu 74 Milliarden Euro erhält – ohne Zwischenfinanzierung, 15 bis 25 Milliarden Euro sollen zur Rekapitalisierung in die griechischen Banken fließen. Unklar ist, wie Griechenland über die Monate Juli und August kommen will. Das Land ist pleite. Bis Ende August, so wird geschätzt , braucht das Land rund 19 Milliarden Euro. Schon am Montagabend wollten die Eurofinanzminister erste Gespräche über eine Zwischenfinanzierung aufnehmen. Zudem erhält Griechenland die Aussicht auf Schuldenerleichterungen, etwa über längere Kreditlaufzeiten.

Tsipras spricht weiter von Würde

Soweit zum Geben. Nun zum Nehmen. Ein Treuhandfonds von 50 Milliarden Euro soll eingerichtet werden – auch als Sicherheit für die Geberländer. Zudem bleibt der von Tsipras ungeliebte Internationale Währungsfonds IWF an der Sanierung in Griechenland beteiligt. Das ist eine ganze Menge. Im Netz formierte sich unter #ThisIsACoup – das ist ein Staatsstreich – ein Protest gegen die Art und Weise, wie in griechische Innenpolitik eingegriffen wurde. Tsipras sprach am Montagmorgen dennoch von „Würde“. Wie die Kanzlerin das sah, wurde deutlich, als sie nach Gipfelende auf griechische Verhandlungserfolge angesprochen wurde: „Naja, die kriegen eine ganze Menge.“ Sie sprach über Geld, nicht über Zugeständnisse.

Seit dem 18. Juni hatten die Eurostaaten ununterbrochen über Griechenland verhandelt. Acht Mal trafen sich die Eurofinanzminister, drei Mal die Staatschefs der Eurostaaten zu einem Sondergipfel, dazwischen tagte ein regulärer EU-Gipfel aller 28. EU-Staaten. Es sind viele Fehler gemacht worden, auch von Griechenlands Links-Premier Alexis Tsipras. An diesem Wochenende ist über den Beratungen - zunächst in der Eurogruppe, dann auf dem Eurogipfel - viel kaputt gegangen. Man dürfe Griechenland nicht demütigen, hatte Italiens Premier Renzi gewarnt.

Griechenland ist vorerst gerettet, die Krise Europas bleibt

Der Respekt der großen Mitgliedstaaten vor den anderen -  das ist der Kern eines europäischen Kompromisses. Griechenland wird nun aber harten Bedingungen unterworfen. Von „verlorengegangenem Vertrauen“ sprach Merkel. Sie bezog es auf Tsipras und seine Verhandlungsführung. Man könnte es aber auch Europa übertragen. Eurorettung, Flüchtlingspolitik, die Frage nach der Zukunft Großbritanniens in der EU – der Stil der Auseinandersetzung im Schuldenstreit mit Griechenland wird den künftigen Debattenton in Europa prägen. Auch zwischen Deutschland und Frankreich knirscht es. Frankreichs sozialistischer Präsident Hollande hatte sich sehr um einen Ausgleich mit Griechenland bemüht. Nicht immer zur Freude der deutschen Kanzlerin. Griechenland ist vorerst gerettet. Aber die Verwerfungen und Verletzungen aus diesem Konflikt werden noch länger bleiben.

Autor*in
Peter Riesbeck

ist Europa-Korrespondent. Bereits seit 2012 berichtet er aus Brüssel für die „Berliner Zeitung“ und die „Frankfurter Rundschau“.

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