Wie Deutschland und Frankreich gemeinsam Verantwortung für Europa übernehmen wollen
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Auf dem Fußballfeld sind sie heute Abend Gegner, ansonsten läuft es aber in Sachen Beziehung gerade ganz gut. Zumindest geben Deutschland und Frankreich sich wieder mehr Mühe miteinander. Vor allem zwei Männer – ein Deutscher, ein Franzose – kommen gerade besonders gut miteinander aus: Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier und sein französischer Amtskollege Jean-Marc Ayrault haben zusammen ein Papier veröffentlicht. Über den Brexit, Sicherheit und was sonst noch gerade so schief läuft in der EU.
„Ein starkes Europa in einer unsicheren Welt“ heißen diese deutsch-französischen Überlegungen. „Wir glauben, dass die EU die Pflicht hat und in der Lage ist, gemeinsame Antworten auf die heutigen Herausforderungen in der Welt und in Europa zu formulieren“, schreiben Steinmeier und Ayrault.
Ein Angebot an die anderen EU-Staaten
Diese Antworten konzentrieren sich auf die Felder Sicherheitspolitik, Asyl- und Einwanderungspolitik sowie Wirtschafts- und Währungspolitik. Bahnbrechende Vorschläge liefern Steinmeier und Ayrault nicht, aber der Wille, diese Themen gemeinsam anzugehen, wird deutlich. So fordern die beiden Außenpolitiker beispielsweise eine gemeinsame europäische Asyl- und Einwanderungspolitik: „Deutschland und Frankreich sind überzeugt, dass es an der Zeit ist, eine wirklich integrierte europäische Asyl-, Flüchtlings- und Einwanderungspolitik zu begründen. Angesichts der Dringlichkeit schließen wir nicht aus, dass wie mit einer Gruppe von Mitgliedstaaten vorangehen, die unsere Auffassung einer gemeinsamen Verantwortung teilen.“ Soll heißen: Deutschland und Frankreich gehen voran – wer sich anschließen will, kann das tun, wer nicht will, der bleibt außen vor. Angesichts der Haltung von Ländern wie Polen und Ungarn in der Flüchtlingsfrage ein pragmatischer Ansatz.
Interessanter als die konkreten Vorschläge in dem Papier ist jedoch die Betonung der deutsch-französischen Verantwortung für Europa: „Unsere beiden Länder verbindet ein gemeinsames Schicksal und eine gemeinsame Werteordnung. Beides zusammen bildet die Grundlage für eine immer engere Union unserer Völker.“ Und: „Deutschland und Frankreich stehen in der Verantwortung, die Solidarität und den Zusammenhalt innerhalb der Europäischen Union zu stärken.“
Der deutsch-französische Motor läuft wieder
So klingt es, wenn der deutsch-französische Motor wieder angeschmissen wird. In den letzten Jahren stotterte er eher leise vor sich hin, fiel manchmal sogar ganz aus. Da war beispielsweise die Auseinandersetzung über die von Angela Merkel durchgesetzte Austeritätspolitik für Europas Süden: Der französische Präsident François Hollande sah das Sparen kritisch, er forderte stattdessen einen Investitions- und Wachstumspakt. Am Ende wurde das rigide Sparprogramm durch so etwas wie ein Investitionspaket ergänzt – das Ganze trug trotzdem klar eine deutsche Handschrift.
Und das ist auch der wunder Punkt: Frankreich hat sich mit seiner gegenwärtigen Rolle als Junior-Partner Deutschlands in Europa noch nicht abgefunden. Frankreichs Wirtschaft schwächelt, Präsident Hollande steht aufgrund seines neuen Arbeitsrechtsgesetzes seit Monaten in der Kritik. Von der einstigen „Schicksalsgemeinschaft“ zwischen Frankreich und Deutschland ist zwischen Eurokrise, Flüchtlingskrise und Terrorangriffen nur noch selten etwas zu spüren.
Rückbesinnung auf Konrad Adenauer
Es ist also ein deutliches Zeichen, wenn der deutsche und der französische Außenminister nun – an einem Punkt, wo der EU durch den Brexit eine neue Krise droht – ein gemeinsames Papier veröffentlichen. Es ist ein Zeichen, dass Deutschland und Frankreich bereit sind, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen und sich in bestimmten Politikbereichen besser abzusprechen – eine bewusste Erinnerung an die Zeit, als der deutsch-französische Motor fast alle europäischen Initiativen auf den Weg brachte.
Es ist auch ein Wahlkampfsignal: In beiden Ländern stehen 2017 Wahlen an und weder für die SPD noch für die sozialistische Partei PS sehen die Umfragen momentan vielversprechend aus. Das Papier ist somit auch als ein Versuch beider Parteien zu werten, sich vor den Wahlen noch einmal außenpolitisch zu profilieren. Besonders für Jean-Marc Ayrault dürfte dies ein entscheidender Faktor sein: Der ehemalige Premierminister ist erst seit Anfang dieses Jahres Außenminister. Die Präsidentschaftswahl wird aller Voraussicht nach im April 2017 stattfinden – das sind nicht mal eineinhalb Jahre, um ein außenpolitisches Profil zu entwickeln.
Konrad Adenauer stellte bereits 1948 fest: „An einer wirklichen und dauernden Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich hängt die ganze europäische Zukunft.“ Darauf scheint man sich in den beiden Nachbarländer nun zu besinnen.