Wie Deutschland beim Klimaschutz seine Glaubwürdigkeit verspielt
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Eine Königin ohne Reich – das ist Bundesumweltministerin Barbara Hendricks zurzeit wohl am ehesten: Während sich die internationale Klimadiplomatie für das erfolgreiche Inkrafttreten des Weltklimavertrags feiert, werden Hendricks Bemühungen zum wirksamen Klimaschutz von der Kanzlerin ausgebremst. Die Sache ist mittlerweile so peinlich, dass sogar Oliver Welkes „heute show“ die Bemühungen der Ministerin aufs Korn nimmt.
Merkel lässt ihre Umweltministerin gegen die Wand fahren
Doch schauen wir einmal ins Jahr 2015: „Die globale Erwärmung ist eine Frage der Zukunft der Menschheit“ – so hörte man Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Verabschiedung des Pariser Klimavertrags. Damals dachte man: Offensichtlich meint sie es ernst. Was für ein Irrtum: Im Juni legte das Bundesumweltministerin einen ambitionierten Klimaschutzplan vor, der eine klare Rückführung der CO2-Emissionen in allen Politikbereichen vorsah.
Doch daraus wurde nichts: Das Kanzleramt und die zuständigen Minister, allen voran Dobrindt (CSU, Verkehr) und Schmidt (CSU, Landwirtschaft) – aber auch Gabriel (SPD, Wirtschaft) haben den Plan so entkernt, dass er sein Papier nicht wert ist. Barbara Hendricks hat deswegen die Notbremse gezogen und den Entwurf aus der Kabinettsabstimmung zurückgezogen. Und genau das ist das Trauerspiel: Merkel lässt sich als Klimakanzlerin feiern und ihre zuständige Ministerin gegen die Wand fahren, wenn sie versucht die internationalen Verpflichtungen Deutschlands umzusetzen.
Es braucht Taten statt Rhetorik
Problematisch ist, dass die Zeit langsam knapp wird: 1 Grad ist schon erreicht. Um das 1,5-Grad-Ziel, das auf dem Klimagipfel in Marrakesch rechtskräftig werden soll, einzuhalten, darf die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre die Schwelle von 420ppm nicht überschreiten. Heute werden bereits 400ppm gemessen – und jährlich kommen im Schnitt etwa 3 ppm dazu. Selbst, wenn wir eine Erwärmung auf 2 Grad zulassen wollen, ist die Grenze bei 460 ppm. Auch dann müsste bei gleichbleibendem CO2-Ausstoß in 20 Jahren Schluss sein. Und zwar endgültig.
Damit Deutschland seine internationalen Verpflichtungen einhalten kann, braucht es also mehr als Rhetorik auf dem internationalen Parkett: Nach dem Paris-Vertrag müssen die Treibhausgas-Emissionen weltweit von heute 35 Gigatonnen jährlich auf Null gesenkt werden. Die Umweltverbände fordern deshalb eine Politik, die dem Stand der Wissenschaft entspricht:
- Es braucht Reduktionsziele mit klaren Zwischenzielen etwa für die Jahre 2025, 2030, 2040 für alle Politikbereiche – von der Energiepolitik über die Verkehrspolitik bis hin zur Landwirtschaftspolitik.
- Wir brauchen außerdem einen verbindlichen Zeitplan für den Kohleausstieg bis spätestens 2035. Wenn wir den nicht umgehend angehen, belügen wir die Menschen: Deutschland wird seine Klimaziele ohne einen umgehenden Einstieg in eine komplett CO2-freie Stromproduktion nicht erreichen.
- Die deutschen Klimaschutzziele müssen gesetzlich verankert werden. Denn: Ein Klimaschutzplan ist nichts weiter als ein lockeres Vorhaben. Wenn wirksamer Klimaschutz Wirklichkeit werden soll braucht es klare gesetzliche Vorgaben, zum Beispiel in einem Klimaschutzgesetz, das die Ziele einklagbar macht. Wer mit 1,0 Promille ein Auto fährt, der macht sich strafbar. Das soll auch für den Klimaschutz gelten: Wer das Ziel nicht schafft, der macht sich schuldig am Gemeinwohl!
Deutschlands glänzendes Image bröckelt
Das ist das Wesen der deutschen Klimapolitik: International lassen wir uns als Vorreiter feiern. Doch das glänzende Image bröckelt mehr und mehr. Letztes Jahr stieg der Ausstoß von Treibhausgasen hierzulande wieder an, während er weltweit leicht zurückging. Schaut man in die Tagespolitik, fahren das Kanzleramt und diverse rückwärtsgewandte Abgeordnete den Klimaschutz gegen die Wand.
Auf dem Petersberger Klimadialog im Juli dieses Jahres erklärte die Kanzlerin: „Klimaschutz ist nicht mehr und nicht weniger als eine Frage des Überlebens.“ Offensichtlich ist ihr ihr politisches Überleben wichtiger als das der Menschheit. Deutschland ist mit der Unterschrift unter das Klimaschutzabkommen von Paris Verpflichtungen eingegangen, die wir nun erfüllen müssen. Es geht um die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung.