Schon im letzten Jahr äußerte sich der IWF besorgt über Warnzeichen eines möglichen Zusammenbruchs der Finanzmärkte. Im Zentrum stand die schwindelerregende Anhäufung von Unternehmensschulden zur Übernahme finanzieller Risiken. Außerdem, so warnte der IWF, liege das Risiko nicht nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Sektor. Die öffentlichen Schuldenquoten befanden sich auf einem historischen Hoch. Die Abhängigkeit der ärmsten Länder von Auslandskrediten erhöhte das Risiko von Schuldennotständen. Es war zu dem Zeitpunkt klar, dass das globale Finanzsystem – natürlich auch teilweise aufgrund des Erbes der globalen Finanzkrise 2008 – in hohem Maße anfällig für Schocks ist.

So unterschiedlich die Faktoren sind: Wie schon bei der letzten Krise kann man ihre wirtschaftlichen Auswirkungen nicht verstehen, wenn man die Ungleichgewichte in den internationalen Handels- und Kapitalflüssen außer Acht lässt. Ihr Ursprung liegt Ende der 1990er Jahre. Als selbsternannter „Weltwirtschaftsrat“ war die G20 1999 die Antwort auf die Finanzkrisen in den Schwellenländern. Dabei gibt es eine Institution, der alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen angehören: der IWF. Aber diese Struktur funktionierte nicht sehr gut. Die G20 hat sich dagegen mit einer Antwort auf die Finanzkrise 2008 zunächst als effektiv erwiesen. Das Verhältnis zwischen IWF und G20 ist kompliziert.

Notfallkapazitäten verdoppelt

„Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen“, sagte Kristalina Georgieva in ihrer Eröffnungsrede der virtuellen Frühjahrstagung am 15. April 2020. Um den wirtschaftlichen Kollaps zu verhindern, ist eine Lehre aus der Finanzkrise 2008: so schnell wie möglich so viel Geld wie möglich ausgeben. In vielerlei Hinsicht ist der IWF vorgeprescht, um hilfesuchenden Ländern massive Ausgaben für den Umgang mit der Covid-19-Krise zu ermöglichen. Zum einen wurde die Notfallkapazität des IWF für schnelle Auszahlungen verdoppelt, um den erwarteten Bedarf von rund 100 Milliarden Dollar zu decken. 103 Länder waren wegen Notfallfinanzierung an den IWF herangetreten. Es gibt zusätzlich ein komplett neues Instrument für kurzfristige Finanzhilfen. Zum anderen erlauben Treuhandfonds Schuldendiensterleichterungen.

Bisher scheint die einzige Bedingung zu sein, dass die Länder sich im Großen und Ganzen verpflichten, freiwerdende Mittel für ihren Gesundheitssektor auszugeben. Die Tragik liegt darin, dass in der Vergangenheit die vom IWF am häufigsten verordneten Anpassungsmaßnahmen im Globalen Süden Gesundheits-, Renten- und Sozialversicherungsreformen waren, sowie Lohnkürzungen im öffentlichen Sektor einschließlich Gesundheitspersonal. Nach 2008 war der IWF flexibler geworden, beispielsweise bei den Kapitalverkehrskontrollen – das aber gegenüber Westeuropa, nicht bei Niedrigeinkommensländern.

Schuldenmoratorium, aber kein Schuldenschnitt

Die Schuldendiensterleichterung des IWF für seine 25 ärmsten Mitglieder ist ein willkommener Schritt, aber entspricht laut Eurodad weniger als 1 Prozent der gesamten Auslandsschulden der einkommensschwachen Länder im Jahr 2020. Wichtiger war der symbolische Druck, den der IWF auf die G20 ausübte, es ihm gleichzutun. Schätzungen zufolge entfallen etwa ein Viertel der Kredite der Niedrigeinkommensländer auf China. Damit liegt das G20-Mitglied als größter offizieller Kreditgeber vor IWF oder Weltbank. Nachdem der IWF vorangegangen war, einigten sich die G20 tatsächlich auf ein Schuldenmoratorium bis Ende 2020, das heißt ein Einfrieren von sowohl Tilgungs- als auch Zinszahlungen. Mit der Aussetzung des Schuldendienstes werden schätzungsweise 20 bis 25 Milliarden Dollar für die 77 ärmsten Länder zur Bekämpfung der Pandemie freigesetzt. Ein schwerwiegender Mangel: Das Moratorium verschiebt den Umgang mit der Schuldenlast nur in die Zukunft. Dann könnte das Problem der Zahlungsunfähigkeit sich zusätzlich auf die stark verschuldeten Petrostaaten ausgedehnt haben.

Um der Finanzierungskrise angemessen zu begegnen, fordern viele die Nutzung von Sonderziehungsrechten entlang der IWF-Länderquoten. Für viele Niedrigeinkommensländer, die nur noch eingeschränkt Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten haben, wäre eine Ausgabe der IWF-Reserven ohne Auflagen ein Rettungsanker. Der Vorschlag findet Widerhall bei der G24, der 1971 von den Entwicklungsländern gegründeten Gruppe für internationale Währungsfragen und Entwicklung. Allerdings gibt es dafür momentan weder vom IWF noch – aus politischen Gründen – von den USA besondere Unterstützung, obwohl die USA maßgeblich davon profitieren würden. Die Zuweisung würde auch an Länder gehen, die eine Aufstockung ihrer Reserven entweder nicht benötigen oder – aus Sicht der USA – nicht verdienen. Ein berechtigter Einwand ist, dass die Zuteilung nach IWF-Quoten bedeutet, dass nur ein Bruchteil der Sonderziehungsrechte an die ärmsten Länder gehen würde. Einmal mehr zeigt sich, dass eine Reform der IWF-Quoten notwendig ist.  

IWF als internationaler Koordinator?

Die Wahl einer weiteren europäischen IWF-Direktorin, Kristalina Georgieva, im letzten Jahr war für viele der Beweis, dass die Suche nach Spitzenpersonal immer noch undurchsichtig und undemokratisch abläuft. Und doch zeigt das momentane Krisenmanagement des IWF, dass manchen Forderungen zur IWF-Reform nachgekommen wird, so einer Ausrichtung auf die besonderen Probleme der ärmsten Länder. Um seiner entscheidenden Rolle gerecht zu werden, könnte der IWF nun außerdem sowohl Staateninsolvenzverfahren international koordinieren als auch Kapitalverkehrskontrollen durchsetzen. Wichtig ist jetzt ebenfalls die Unterstützung des IWF durch die Aufstockung seiner Kreditmittel, um unmittelbaren Finanzierungsbedarf zu decken. Geber sollten ihre Beiträge erhöhen, und das nicht aus den Entwicklungshilfehaushalten. Die Herausforderungen der ärmsten Länder bestehen nach wie vor und werden durch die Krise nur größer.

Bazooka für alle? In der Corona-Pandemie gerät die internationale Kooperation unter Druck. Neben den 20 größten Industrienationen (G20), stemmen sich auch die Vereinten Nationen (UN) sowie der Internationale Währungsfonds IWF gegen den Trend.

Dieser Artikel erschien zuerst im IPG-Journal.