Wie berechtigt sind die Geld-Forderungen aus Athen?
Der griechische Justizminister hat schon angedroht, deutsche Liegenschaften in Athen beschlagnahmen zu lassen. Die Ansprüche jedoch sind vielfältig, es geht um Reparationen für den griechischen Staat, um die Rückzahlung einer Zwangsanleihe und dann noch um die persönlichen Forderungen griechischer Opferangehöriger. Eine Auflistung:
Reparationen: Der griechische Staat hat nach dem Zweiten Weltkrieg von Deutschland keine umfassenden Reparationen für die von Deutschland verursachten Schäden erhalten. Die Vereinbarung von Reparationen wurde 1953 einem Friedensvertrag vorbehalten, den es bis heute nicht gibt. Deutschland hält die Reparationsfrage allerdings "für rechtlich und politisch abgeschlossen".
In den 60er-Jahren zahlte Deutschland umgerechnet 57 Millionen Euro an Griechenland für jüdische und andere spezifische NS-Opfer. Allgemeine Besatzungsschäden blieben damals aber ebenso außen vor wie die Ansprüche der meist wahllos ermordeten Opfer deutscher Kriegsverbrechen.
Nach der Wiedervereinigung schloss Deutschland 1990 mit den ehemaligen Siegermächten USA, UdSSR, Großbritannien und Frankreich den Zwei-plus-vier-Vertrag, in dem Reparationsfragen nicht behandelt wurden. Deutschland erklärte deshalb anschließend alle Reparationsforderungen – auch die der übrigen Staaten – für erledigt. Griechenland war an den Verhandlungen nicht beteiligt und nahm den Vertrag nur "zur Kenntnis". Ob Griechenland damit auf Reparationen verzichtet hat, ist umstritten.
Ein griechischer Parlamentsausschuss bereitet derzeit Verhandlungen mit Deutschland vor, indem er die Schäden zusammenstellt. Nach einem jüngst bekannt gewordenen Gutachten könnten bis zu 332 Milliarden Euro geltend gemacht werden.
Schlechte Aussichten 70 Jahre nach Kriegsende
Der Abschluss eines Vertrags über Reparationen kann juristisch allerdings nicht erzwungen werden. Siebzig Jahre nach Kriegsende ist die Verhandlungsposition Griechenlands dabei sicher nicht allzu gut. Andererseits erklärt Deutschland die Diskussion auch deshalb so vehement für beendet, weil man nach den jahrzehntelang geschickt vermiedenen Reparationen keine moralisch belastbaren Argumente hat.
Zwangsanleihe: 1942 wurde Griechenland gezwungen, dem deutschen Reich eine Zwangsanleihe zu gewähren. Bei Kriegsende waren davon noch 476 Millionen Reichsmark offen. Diese Summe wurde nie zurückgezahlt. Deutschland rechnet die Zwangsanleihe zum Besatzungsunrecht und sieht die griechischen Ansprüche für genauso erledigt wie andere Reparationsforderungen (siehe oben).
Anleihe schloss Zinsen aus
Griechenland betont dagegen den vertraglichen Charakter der Anleihe, die deshalb auf jeden Fall zurückgezahlt werden müsse. Mit Zinsen und Zinseszinsen schätzt eine griechische Expertenkommission den Wert der Anleihe heute auf elf Milliarden Euro. Wenn Griechenland die Anleihe als normalen Geschäftsvorgang behandeln will, ist die Summe aber viel zu hoch, da im damaligen Vertrag Zinsen ausdrücklich ausgeschlossen wurden.
Individuelle Klagen: Opferangehörige der deutschen Massaker von Distomo und Kalavrita haben Deutschland verklagt und individuell Schadensersatz verlangt. Die Klagen in Deutschland blieben erfolglos. Denn Privatpersonen können keine völkerrechtlichen Reparationsansprüche einklagen. Theoretisch wären zwar Amtshaftungsansprüche gegen Deutschland möglich, so die deutschen Gerichte. Aus diversen kleinlichen Gründen könnten sich aber die griechischen Kläger hierauf nicht berufen. Dies entschied 2003 der Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht bestätigte das Urteil 2006. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte 2011 auch keine Einwände.
Griechisches Gericht spricht Massaker-Opfern Millionen zu
Klagen der gleichen Kläger in Griechenland waren zunächst erfolgreich. Im Jahr 2000 entschied der Aeropag, das oberste griechische Zivil- und Strafgericht, dass Deutschland den Angehörigen von Distomo umgerechnet 28 Millionen Euro Schadensersatz zahlen muss. Das Urteil wurde letztlich aber nicht vollstreckt, weil der damalige griechische Justizminister die notwendige Zustimmung versagte. Der aktuelle Justizminister Nikos Paraskevopoulos hat nun seine Zustimmung zur Beschlagnahme deutscher Güter wie dem Goethe-Institut in Athen in Aussicht gestellt. Diese würde sich dann aber nur auf das konkrete Urteil aus dem Jahr 2000 beziehen.
Allerdings hat das oberste griechische Sondergericht schon 2003 entschieden, dass solche Klagen in Griechenland generell unzulässig sind, weil sie gegen das Prinzip der Staatenimmunität verstoßen. Danach darf kein Staat über einen anderen Staat zu Gericht sitzen. Die griechischen Kläger versuchten das Aeropag-Urteil dann gegen deutsche Liegenschaften in Italien vollstrecken zu lassen, weil italienische Gerichte die Staatenimmunität bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht akzeptierten.
2012 hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag in einem Rechtstreit zwischen Deutschland und Italien allerdings die Staatenimmunität als völkerrechtliche Regel bestätigt, ohne Ausnahmen.
Falls Griechenland trotzdem mit der Beschlagnahme deutscher Einrichtungen beginnt, würde es sich also über das Urteil eines UN-Gerichts hinwegsetzen. Die so erlangten Summen kämen auch nicht dem griechischen Staat zugute, sondern den Angehörigen der Massaker-Opfer. Die um einige Dimensionen größeren Reparationsforderungen könnten auf diesem Weg ohnehin nicht realisiert werden.