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Wer wirklich vom Atom-Deal mit dem Iran profitiert

Der Atom-Deal mit dem Iran wurde von vielen Kommentatoren spontan als „Durchbruch“ gefeiert. Doch was bedeutet das Abkommen für den Iran? Ist der Startschuss für eine Neuorientierung der iranischen Außenpolitik tatsächlich gefallen? Eine Analyse der aktuellen Lage.
von Payam Ghalehdar · 23. Juli 2015
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Die Einigung im Konflikt um das iranische Nuklearprogramm ist ein historischer Sieg der Diplomatie. Das Ergebnis mühsamer Verhandlungsrunden und schmerzhafter Zugeständnisse beider Seiten ist ein umfassendes Abkommen, dessen größter Nutzen zweifellos die Hoffnung auf eine dauerhafte Beilegung des Konflikts ohne Anwendung militärischer Gewalt ist. Die ständige Gefahr einer offenen militärischen Konfrontation zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran mit denkbar dramatischen Konsequenzen für den ohnehin schon kriegs- und krisengebeutelten Nahen Osten ist somit zunächst gebannt. Doch wie sieht es mit der von US-Präsident Barack Obama geäußerten Hoffnung aus, das Abkommen könnte diejenigen Reformkräfte in der iranischen Elite stärken, die eine wirtschaftliche und politische Öffnung des Landes anstreben und auf ein besseres Verhältnis zu Europa und den Vereinigten Staaten setzen?

Atom-Deal: Vorsicht vor zu schnellen Schlüssen

Die Reaktionen iranischer Hardliner auf den Atom-Deal sind geprägt von Skepsis und Ablehnung. Die vorgebrachte Hauptkritik, dass die Auflagen der Einigung Irans Nuklearprogramm dauerhaft einschränken werden und somit einer diplomatischen Niederlage Irans gleichkommen, liest sich auf den ersten Blick wie eine Bestätigung der Hoffnung Obamas, dass die Konservativen in der inneriranischen Machtkonkurrenz gegenüber moderateren Kräften an Boden verlieren könnten. Warum sonst, wenn nicht aus Sorge vor einem Machtverlust, würden iranische Hardliner den Atomdeal kritisieren? So plausibel solche Rückschlüsse auch klingen mögen, sie wären zu voreilig und würden dem komplexen und nahezu undurchdringlich scheinendem Machtgefüge des iranischen Regimes nicht gerecht. Noch ist völlig unklar, welche Kräfte von der Einigung tatsächlich profitieren werden.

Die Hoffnung auf eine Verbesserung der Beziehungen des Iran zu Europa und den Vereinigten Staaten haben bereits einen ersten Dämpfer erhalten. So hat Ayatollah Khamenei, der iranische Revolutionsführer, deutlich gemacht, dass der erfolgreiche Abschluss der Verhandlungen keineswegs Startschuss für eine Neuorientierung iranischer Außenpolitik sei, sondern eher eine Ausnahme im konfliktreichen Verhältnis Irans zum Westen.

Entwicklung des Iran bleibt unklar

Zudem ist vorstellbar, dass die schrittweise Aufhebung wirtschaftlicher Sanktionen nicht nur der iranischen Bevölkerung zugute kommt - etwa durch den erleichterten Zugang zu Medikamenten - sondern in erster Linie den von den Revolutionsgarden kontrollierten Industrien und Geschäftszweigen. Ein Erstarken reformorientierter Kräfte innerhalb der iranischen Elite würde somit nicht erleichtert, sondern erschwert, ganz zu schweigen von den außenpolitischen Auswirkungen einer wirtschaftlich gestärkten iranischen Regionalmacht.

Der Atomdeal hat die Gefahr eines Krieges zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten zumindest vorübergehend gebannt. Es bleibt abzuwarten, ob er zusätzlich dazu beitragen wird, dass Obamas Hoffnung auf eine Öffnung des Iran Realität wird. 

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Autor*in
Payam Ghalehdar

ist Politikwissenschaftler und Lehrbeauftragter an der Universität Duisburg-Essen. Zu seinen Forschungsinteressen gehören die US-amerikanische Außenpolitik, militärische Interventionen und die Beziehungen des Iran zum Westen. Er twittert unter @PayamGhalehdar.

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