Was passiert wenn? Mögliche Szenarien für Griechenland
Griechenland sagt „JA“
Die griechischen Wähler billigen das Sparpaket. Dann hat Ministerpräsident Alexis Tsipras ein Problem. Sein Finanzminister Gianis Varoufakis hat für diesen Fall seinen Rücktritt angekündigt, vermutlich wird es Neuwahlen geben. Das Problem: Mit wem wird in der Zwischenzeit verhandelt. Die Europartner haben keine Zeit. Am 20. Juli muss Griechenland bei der Europäischen Zentralbank (EZB) einen Kredit über 3,5 Milliarden Euro begleichen. Der ist heikler als die nicht geleistete Rate beim Währungsfonds IWF. Der EZB ist eine verdeckte Staatsfinanzierung verboten. Die Lage würde sich aus Sicht der Europäer also nur politisch entspannen. Aber eine Lösung scheint möglich. Offiziell liegt ein Antrag beim Rettungsfonds ESM vor über 29,1 Milliarden Euro. Auch das braucht Zeit. Und der Bundestag müsste entscheiden. Auch im Ja-Fall wird es warmer Sommer.
Griechenland sagt „Nein“
Lehnen Griechenlands Wähler das Sparpaket ab, stärken sie das Verhandlungsmandat von Regierungschef Alexis Tsipras. Dann sind die Europartner in der Defensive und Kanzlerin Angela Merkel. Erstmals stimmte ein Land offen gegen den verordneten Sparkurs. Das stellt die Europartner vor Probleme.
Variante 1: Sie optieren für den Erhalt der Eurozone und kommen Griechenland in den Verhandlungen weit entgegen, etwa mit einem Schuldennachlass. Das Land würde im Euro gehalten, aber zu einem hohen politischen Preis. Europa macht sich erpressbar. Zudem müssten in einzelnen Mitgliedstaaten wie Deutschland, Finnland und den Niederlanden die Parlamente einem Deal zustimmen. Nach Tsipras‘ Auftreten ist die Neigung dazu gering. Eine schwierige Abschätzung.
Variante 2: Das wäre der Grexit – der Abschied Griechenlands aus dem Euroraum. Also das Scheitern. Die Europartner stoppen weitere Hilfen, die EZB stellt ihre Notkredite für die griechischen Banken ein, Griechenland rutscht in die Pleite. Der Staat kann keine Gehälter mehr bezahlen und gibt Schuldscheine aus. Die Drachme wird – mittelfristig – wieder eingeführt und gegen den Euro abgewertet. Problem 1: Damit verteuern sich Produkte vom Weltmarkt wie Öl drastisch. Problem 2: Ein Austritt aus der Eurozone ist rechtlich nicht möglich, nach Artikel 50 Lissabon Vertrag müsste Griechenland auch die EU verlassen. Ein massiver Vertrauensverlust für den Euro und das Projekt Europa. Es droht die Schubumkehr. Spekulationen gegen andere Wackelkandidaten könnten einsetzen. Italiens Banken sitzen auf 40 Milliarden Euro kippeligen Krediten, in Spanien sind es 80 Milliarden Euro. Gemütlicher wird es nicht.
Variante 3: Ist der „Default within“. Griechenland rutscht in die Pleite und führt eine Parallelwährung ein, den Geuro, bleibt aber Teil von Europa. Der Imageschaden wäre riesig, aber der Schaden für die EU wäre begrenzt. Rechtlich wäre das Ganze schwierig, aber Europa betritt nach Sonntag ohnehin Neuland. Es gibt keine einfachen Lösungen in diesem Schuldenstreit.
ist Europa-Korrespondent. Bereits seit 2012 berichtet er aus Brüssel für die „Berliner Zeitung“ und die „Frankfurter Rundschau“.