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Was ein europäisches Lieferkettengesetz bewirken könnte

Es geht um Menschenrechte, gute Löhne und weniger Ausbeutung: Hubertus Heil macht Druck für ein europäisches Lieferkettengesetz. Es könnte nicht nur Europa, sondern auch Afrika verändern. Das zeigt die Konferenz „Globale Lieferketten - Globale Verantwortung“.
von Vera Rosigkeit · 6. Oktober 2020

Paul Schoenmakers macht in Schokolade. Bei „Tonys Chocolonely“ verantwortet er die Geschäftsbeziehungen zu den Kakaobauern. Und obwohl die Kakaoproduktion stark von Kinderarbeit geprägt ist, weiß Paul Schoenmakers genau, woher sein Kakao kommt. Denn Sorgfaltspflicht gegenüber Umwelt und Menschenrechten sind im Unternehmen selbstverständlich. Von der EU fordert der Amsterdamer ein Gesetz für transparente Lieferketten, um der modernen Sklaverei in der Kakaoproduktion den Kampf anzusagen.

Vom freien Markt zum fairen Welthandel

Mit diesem Kampf steht er nicht alleine. Auf der virtuellen Konferenz „Globale Lieferketten - Globale Verantwortung“ wird am Dienstag schnell deutlich, dass die Forderung an Unternehmen, mehr Verantwortung gegenüber Mensch und Natur zu übernehmen, weltweit auf großen Zuspruch stößt. Allen voran beim Gastgeber Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der gemeinsam mit Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) für Deutschland bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, um Menschenrechtsverletzungen entlang globaler Lieferketten zu verhindern.

Laut Heil gibt es ein „großes Unbehagen in der Zivilgesellschaft in Sachen Globalisierung“. Nach welchen Regeln läuft der freie Markt?, laute die Kritik. Wer Interesse am offenen Welthandel habe, müsse sich deshalb auch um einen fairen Welthandel kümmern, betont er. Für Heil geht es aber nicht nur um Verantwortung, sondern auch um die Haftung. Es reiche nicht, Recht zu haben. Man müsse das Recht auch bekommen, sagt auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). Dazu brauche es die staatliche Justiz.

Gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen

Derzeit will Heil die deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um den Vorschlag von EU-Justizkommissar Didier Reynders für ein europäisches Lieferkettengesetz zu unterstützen. Ein deutsches Gesetz wäre Rückenwind für Europa, sagt Heil. Ein europäisches Gesetz wiederum sei gut, um einheitliche Regeln zu haben.

Denn während Konsument*innen sicher sein wollen, dass „die Produkte in ihren Einkaufswagen nicht mit Ausbeutung oder Kinderarbeit hergestellt sind“, wollen Unternehmen gleiche Wettbewerbsbedingungen, sagt nicht nur Martin Shankland, verantwortlich für Global Operations bei der adidas AG, sondern auch Julliet Vallat, Vizepräsidentin für Menschenrechte bei L’Oréal. Beim größten Kosmetikhersteller der Welt ist man längst darauf bedacht, die Betroffenen in den Blick zu nehmen und sowohl mit Gewerkschaften als auch mit der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten, berichtet sie. Gerade weil Frankreich bereits 2017 ein Gesetz zu Sorgfaltspflichten französischer Unternehmen verabschiedet habe, plädiert sie für ein EU-Gesetz. L’Oréal sei ein international tätiges Unternehmen. Gleiche Wettbewerbsbedingungen seien von Vorteil.

Mitspracherechte für Beschäftigte

Für Lara Wolters, Berichterstatterin für die neue EU-Gesetzgebung über die Sorgfalts- und Rechenschaftspflicht von Unternehmen, geht es vor allem um mehr Mitspracherechte für die Beschäftigten. Lieferketten hätten sich stark verändert, die Transformation der Wirtschaft schreite voran, erklärt Wolters. Es dürfe nicht sein, dass die ärmsten und damit verletzlichsten Arbeitnehmer*innen die Risiken tragen. „Sie brauchen eine starke Stimme“, betont sie.

Für EU-Kommissar Nicolas Schmit führt kein Weg an gewerkschaftlicher Freiheit vorbei. Der Einsturz der Textilfabrik in Rana Plaza in Bangladesch, bei dem rund 1.200 Menschen starben, habe gezeigt, dass „in unseren Geschäften Arbeit stecke, die auf unglaubliche Arbeitsbedingungen zurückgehen“, erinnert er. Nun gelte es daran zu arbeiten, Unternehmen verantwortlich zu machen und die Rechte der Sozialpartner zu respektieren. Für Didier Reynders kein Widerspruch: Unternehmen müssten lernen, mittel- und langfristig zu denken. Das würde sie widerstandsfähiger machen, gerade in Krisenzeiten.

Obama: Afrika in den Blick nehmen

Mitbestimmung nicht nur in den Unternehmen, sondern auch bei der Frage, was mit den Ressourcen im eigenen Land passiert, fordert Gründerin und Vorsitzende der Auma Obama Foundation Sauti Kuu, einer Stiftung in Kenia, die Kindern eine Stimme geben will. Auma Obama richtet den Blick weit über die Grenzen Europas hinaus, wenn sie fordert, dass sich das Verhältnis zwischen afrikanischem Kontinent und EU ändern müsse. Die Löhne in Afrika seien kaum existenzsichernd, gleichzeitig aber würden zu Billigstpreisen Rohstoffe abgeschöpft. „Das kann so nicht bleiben“, erklärt die Schwester des ehemaligen US-Präsidenten. Die Menschen im Land brauchten menschenwürdige Arbeit und ein Recht auf Selbstbestimmung. Wenn das garantiert sei, werde niemand sein Land freiwillig verlassen, ist sie überzeugt. Unternehmen sind in der Verantwortung, wenn es um Menschenrechte gehe. Das dürfe kein Lippenbekenntnis sein.

Druck auf Altmaier verstärken

Auf nationaler Ebene hat Hubertus Heil vor einigen Wochen einen Gesetzentwurf für verantwortungsvolle Lieferketten vorgelegt. Seitdem blockiert Bundeswirtchaftsminister Peter Altmaier (CDU) das Gesetz. Obwohl in den Regierungsparteien Parteitagsbeschlüsse dazu vorlägen und der Koalitionsvertrag von SPD und Union es vorsieht, wie Heil betont. „Wir sind ganz nah dran, müssen nur noch mehr Druck machen“, sagt der Arbeitsminister. Sein Zeitplan ist klar. Er möchte, dass das Gesetz im nächsten Jahr in Kraft tritt.

Mit der Blockade des Lieferkettengesetzes verärgere „Peter Altmaier in erster Linie nicht die deutsche Öffentlichkeit, sondern Millionen Erwerbstätige weltweit, die unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten“, erklärte am Dienstag auch Juso-Chef und Vize-Vorsitzende der SPD Kevin Kühnert. Gemeinsam forderten DGB-Jugend, Grüne Jugend, Jusos und linksjugend Altmaier auf, endlich zu handeln: „Für ein starkes Lieferkettengesetz. Jetzt.“

Am Mittwoch, dem Welttag für menschenwürdige Arbeit, wird die Konferenz fortgesetzt.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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