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Was die SPD vom Erfolg Donald Trumps lernen kann

Auf beiden Seiten des Atlantiks schafft der Staat es nicht mehr, seinen Bürgern das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, auch nicht von materieller Sicherheit. In diese Lücke stoßen Populisten und Demagogen wie Donald Trump. Daraus sollten die (Sozial-)Demokraten Lehren ziehen. Die Richtigen.
von Josef Braml · 13. September 2016
Donald Trump im Präsidentschaftswahlkampf: Der Republikaner punktet mit Populismus und Demagogie.
Donald Trump im Präsidentschaftswahlkampf: Der Republikaner punktet mit Populismus und Demagogie.

Vieles was in den USA vorexerziert wird, sehen wir, meist etwas später, auch in Europa. Die Erfolge von Donald Trump, der AfD, Marine Le Pens sowie der Brexit sind Symptome eines grundlegenderen Problems: der Erosion liberaler Demokratien. Auf beiden Seiten des Atlantiks schafft es der Staat nicht mehr, seinen Bürgern das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Auch das Gefühl materieller Sicherheit, dass möglichst viele etwas vom wirtschaftlichen Wohlstand abbekommen, ist verloren gegangen. Immer mehr Bürger westlicher Demokratien sind unzufrieden mit den etablierten Eliten. Sie haben nicht mehr das Vertrauen, dass ihre politischen Repräsentanten ihre Unterstützung bei Wahlen verdienen.

Donald Trump gibt den Abstiegsbesorgten Hoffnung

Die Wahlstrategen von Marine Le Pen und der AfD werden Donald Trumps kometenhaften Aufstieg in den USA sehr genau analysieren. Denn der Demagoge Trump hat es geschafft, Menschen wieder in das politische Geschehen hineinzuziehen, die sich schon verabschiedet hatten. Er gibt den Ohnmächtigen wieder Hoffnung und eine Perspektive. Immer mehr weiße Amerikaner haben Abstiegsängste, sie befürchten, dass ihnen Afroamerikaner, Latinos und asiatische Einwanderer den Rang ablaufen. Auch Amerikas Position in der Welt scheint gefährdet. 

Trump verstärkt diese Ängste, gibt aber den starken Führer, der einfache Lösungen für komplizierte Probleme anbietet, um zunächst hispanische Einwanderer und globale Herausforderer wie China in die Schranken zu weisen. Obwohl die meisten Probleme Amerikas hausgemacht sind, gibt Trump anderen die Schuld: Einwanderern oder Wettbewerbern. Er schürt negativen Nationalismus, weil er Amerika gegen andere definiert. Mit kräftigen Pinselstrichen malt er die „gelbe Gefahr“ an die Wand. Um den Vorwahlkampf der Republikaner zu gewinnen, stigmatisierte er Einwanderer aus Lateinamerika pauschal als „Vergewaltiger und Verbrecher“ – was ihm jedoch den Wahlsieg im Hauptwahlkampf gegen Hillary Clinton kosten dürfte.

Der Geist Trumps wird nicht so schnell verschwinden

Doch selbst wenn er am 8. November die Wahl gegen Clinton verlieren sollte, wird Amerika die Geister, die er rief, so schnell nicht mehr loswerden. Bereits heute ermutigt Trump seine Anhänger, auf die Barrikaden zu gehen, wenn er die Wahl nicht gewinnen sollte. Die Niederlage ihres Volkstribuns könnten sie sich nur damit erklären, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht. Ohnehin ist in den USA die Überzeugung parteiübergreifend verbreitet, dass einige Wenige die politischen Spielregeln zu ihren Gunsten bestimmen.

Dafür gibt es Gründe: Indem angeblich systemrelevante Banken mit Steuergeldern gerettet wurden, hat man nicht nur das Haftungsprinzip und den Preismechanismus ausgehebelt – elementare Prinzipien funktionierender Marktwirtschaften, sondern auch die Legitimation der etablierten Politik aufs Spiel gesetzt: Dem Gerechtigkeitssinn der Bürger ist schwer vermittelbar, dass jene, die die Krise verursacht haben, auch noch dafür belohnt werden – nicht zuletzt in Form üppiger Bonuszahlungen, die die Banken mit dem vom Staat für ihre Rettung überwiesenen Geld „verdient“ haben und für die die Steuerzahler, also sie selbst, aufkommen müssen. Während einerseits vor der Wirtschaftskrise die enormen Gewinne privatisiert wurden und zu einer krassen Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen geführt haben, werden andererseits die in Krisenzeiten entstehenden Verluste sozialisiert und damit die Ungleichheiten weiter verstärkt. Die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auseinander.

Soziale Gerechtigkeit entscheidet

Wer in Deutschland hofft, dass der Zuspruch für die AfD wieder abebbt wenn der Flüchtlingszustrom eingedämmt wird, vergisst die Entstehungsgeschichte der Protestpartei. Er übersieht auch, dass die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank auch deswegen angreifbar ist, weil sie Ungleichheiten verschärft. Es ist absehbar, dass spätestens im Wahljahr 2017 die AfD auch wieder Europas Finanzgebaren ins Visier nehmen wird.

Obschon es den Deutschen im Vergleich zu anderen Europäern noch mehr oder weniger gut geht, machen sich viele berechtigte Sorgen um ihre Zukunft. Laut einer aktuellen Allensbach-Umfrage erachten acht von zehn Deutschen „soziale Gerechtigkeit“ als besonders wichtig. Finden die (Sozial-) Demokraten die richtigen politischen Konzepte, sprich auch Worte, um ihren Bürgern wieder das Vertrauen in handlungsfähige Politik und das Gefühl sozialer Sicherheit zu vermitteln?

Autor*in
Josef Braml

ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

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