Warum US-Demokraten mit Hillary Clinton schon jetzt Geschichte schreiben
Es war diese historische Dimension, die den zweiten Tag des Parteikonvents in Philadelphia prägte. Ja, Joe Biden und Barack Obama haben noch gesprochen. Ja, Hillary Clinton muss die Nominierung noch formell akzeptieren. Aber Geschichte wurde an diesem Dienstag geschrieben.
Wenn eine Präsidentin kann, dann sie
Zunächst war da Michelle Obama. Die First Lady zitierte in ihrer Rede Hillary Clinton, als die 2008 ihren Ausstieg aus dem Rennen um die demokratische Nominierung verkündete. Ihre Kampagne, so Clinton damals, hätte der Gläsernen Decke „18 Millionen Risse hinzugefügt“. Michelle Obama erklärte, Clinton habe den Mut, immer wieder zurückzukommen und der „höchsten und härtesten Gläsernen Decke“ Risse hinzuzufügen. „I’m with her“, sagte Obama und benutzte den Slogan, den Clinton-Unterstützerinnen in den sozialen Medien vor allem in Hashtag-Form verbreiten.
Dann war da Bill Clinton. Er machte seiner Frau eine öffentliche Liebeserklärung, erzählte, wie sie sich kennenlernten und wie Hillary Clinton ihre Karriere für seine zurückstellte. Vor allem aber betonte er die harte Arbeit, die seine Frau für ihr Land geleistet habe. Tenor: Wenn eine Präsidentin kann, dann sie. Bill Clintons Rolle war im Wahlkampf nicht unumstritten: Zwar ist er immer noch ein äußerst beliebter Ex-Präsident, der auf zwei erfolgreiche Präsidentschaften zurückblicken kann – er ist aber auch der Mann, der seine Frau Hillary mit seiner Praktikantin betrog und sich dafür einem Amtsenthebungsverfahren stellen musste. Dieses Kapitel der clintonschen Beziehung fand in der Rede selbstverständlich keine Erwähnung. „Sie wird euch niemals aufgeben“, teilte Clinton den anwesenden Demokraten mit. Er hätte ergänzen können: So wie sie mich niemals aufgegeben hat. Nach seinem Auftritt wurde Hillary Clinton per Video zugeschaltet. An ein Mädchen gerichtet sagte sie: „Ich mag die erste Präsidentin der Vereinigten Staaten werden. Aber eine von euch ist die nächste.“
Die Erste, aber nicht letzte Frau an der Macht
Die Schauspielerin Meryl Streep, gewandet in ein Kleid im US-Flaggen-Look, fragte die Menge direkt: „Was braucht es, um das erste weibliche irgendwas zu werden?“ Wer es als Frau zu etwas bringen wolle, so Streep, brauche Mumm – und einen langen Atem. Mit der Nominierung Hillary Clintons zur demokratischen Kandidatin würde Geschichte geschrieben, und dann noch einmal bei der Wahl im November: „Hillary Clinton wird unsere erste Präsidentin sein“, sagte Streep. „Sie wird die Erste sein, aber sie wird nicht die Letzte sein.“
Auch während der formellen Nominierung Clintons, bei der alle Bundesstaaten nacheinander feierlich ihr Votum verkündeten, stand die historische Bedeutung dieses Ereignisses im Mittelpunkt. Die Bürgermeisterin von Baltimore und Vorsitzende der US-Demokraten, Stephanie Rawlings-Blake, begann den Nominierungsprozess mit den Worten: „Sind wir bereit, Geschichte zu schreiben?“. Marylands Senatorin Barbara Mikulski war es, die Clintons Namen offiziell zur Nominierung freigab – die erste Senatorin, die eigenständig in den Senat gewählt wurde und nicht einem Vater oder Ehemann in der Position folgte.
Die 102-jährige Jerry Emmett verkündete die offizielle Unterstützung der Delegierten ihres Staates Arizona für Hillary Clinton. Emmett wurde geboren, bevor Frauen in den USA das Wahlrecht hatten. Der Zeitung „Arizona Republic“ sagte sie: „Ich hätte nie gedacht, dass ich diesen Tag erlebe. Als ich aufwuchs, konnten Frauen Lehrerinnen sein, Sekretärinnen oder Krankenschwestern – und meine Mutter wurde in unserer Kirche verächtlich behandelt, weil sie überhaupt arbeitete.“ Eine Meinung zu Clintons republikanischem Gegner Donald Trump hatte Emmett auch: „Ich finde, er ist ein Dummkopf – und das ist alles, was ich dazu sagen kann.“
Sanders für Clinton
Das andere große Thema auf diesem Konvent ist die Parteieinheit. Clintons ehemaliger Mitbewerber und Konkurrent Bernie Sanders hatte gleich zu Beginn des Parteikonvents eine mitreißende, kämpferische Rede gehalten und seine Anhängerschaft aufgefordert, Clinton zu wählen. Ein Großteil der Sanders-Anhänger gibt mittlerweile an, dieser Aufforderung im November nachzukommen – eine kleine, laute Minderheit aber verweigert Clinton die Gefolgschaft. Während des Parteitages skandierte sie immer wieder laut „Bernie!“, verließ nach Sanders‘ Rede den Saal und organisierte einen Sitzprotest.
Kurz vor dem Konvent war durch geleakte Mails herausgekommen, dass die demokratische Parteiführung Sanders beim Kampf um die Nominierung wohl benachteiligte – viele Sanders-Anhänger hatten auch so schon das Gefühl, nicht genug Aufmerksamkeit und Unterstützung von der Partei bekommen zu haben. Zumindest für Bernie Sanders selbst scheint all das nun vergessen. Während des offiziellen Nominierungsprozesses kam ihm eine entscheidende Position zu: Sanders war es, der am Ende Stephanie Rawlings-Blake darum bat, Hillary Clinton zur demokratischen Präsidentschaftskandidatin zu ernennen. Es war ein wichtiges Signal des Respekts an Sanders und seine Anhänger, Sanders‘ Staat Vermont das letzte Delegierten-Votum verkünden zu lassen.
Ja, Hillary Clinton hat es geschafft. Sie hat Geschichte geschrieben. Im November wird sich zeigen, ob sie auch die höchste Gläserne Decke im Land durchbrechen kann.