Warum Trump die Wende im Syrien-Konflikt bringen könnte
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Mit Krisen und Kriegen kennt sich UN-Diplomat Steffan de Mistura aus. Seit 45 Jahren arbeitet er für die Vereinten Nationen, unter anderem auf Zypern, in Äthiopien, im Sudan, in Afghanistan, in Albanien, im Irak, dem ehemaligen Jugoslawien, in Somalia, Ruanda und im Libanon. Seit 2014 ist er nun UNO-Sonderbeauftragter für Syrien und hat in dieser Zeit viel Hoffnung und noch größere Rückschläge erlebt. Gerade die aktuelle Situation in Aleppo zeigt die menschenverachtende Brutalität im Syrien-Krieg.
Mischt der „Trump-Faktor“ die Karten in Syrien neu?
Kein Wunder, dass das Interesse an seinen Erfahrungen groß war im bis auf den letzten Platz gefüllten großen Sitzungssaal der SPD-Bundestagsfraktion im Reichstag. „Krisendiplomatie auf Hochtouren – Zukunftsperspektiven für Syrien und den Nahen Osten“ lautete der Titel der Veranstaltung am Dienstag. Und hier wurde Steffan de Mistura seinem Ruf als Fackelträger der Hoffnung auch in nahezu aussichtslosen Krisen wieder einmal gerecht.
Er betonte die große Dynamik im Syrien-Konflikt, die Gefahr, aber auch Chance sein könne. De Mistura verwies auf den „Trump-Faktor“, der die Karten in Syrien neu mischen könne. Der künftige US-Präsident könne zu einem „Game-Changer“ werden, so de Mistura wörtlich.
Trump: IS-Bekämpfung hat Priorität
Für diese Perspektive hatte er Argumente. Nicht Spekulationen über die möglichen Ziele Donald Trumps und seiner neuen Administration präsentierte der UN-Diplomat, sondern Fakten. Dabei bezog sich de Mistura auf die wenigen Äußerungen, die Trump bereits zum Syrien-Krieg gemacht hat.
Dazu gehört erstens, dass Trump dem Kampf gegen den so genannten Islamischen Staat (IS) außenpolitisch Priorität einräumen möchte. Und dass er sich zweitens um mehr Gemeinsamkeiten mit Russland und Präsident Wladimir Putin bemühen will. Auch wenn eine Vorhersage schwierig sei, so de Mistura, könnte beides zu einer Bündelung der amerikanischen und russischen Kräfte im Kampf gegen den IS führen. Das könnte eine Lösungsformel für den Syrien-Krieg sein, denn bis jetzt finden Washington und Moskau keinen gemeinsamen Kurs.
Moskau hat kein Interesse an Eskalation
Zudem könne bis zum 20. Januar 2017, dem Tag der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten, noch viel passieren. Beispielsweise könnte Syriens Präsident Asssad versuchen, bis dahin die militärische Situation, etwa in Aleppo, weiter zu seinen Gunsten zu eskalieren und Fakten zu schaffen. „Danach wäre alles noch schwerer“, so de Mistura. Er berichtete von seinem jüngsten Besuch in Damaskus, bei dem sich Präsident Assad optimistisch gezeigt habe, den Konflikt militärisch für sich zu entscheiden. Assad hoffe, wenn Aleppo falle, auf einen für ihn positiven Dominoeffekt.
Zugleich äußerte de Mistura aber die Hoffnung, dass Moskau kein Interesse an einer solchen militärischen Eskalation habe. Der Kreml verfolge einen „rationalen Ansatz“ in Syrien mit zwei zentralen Zielen: Erstens wolle Moskau keine neue Terrorwelle aus dem Nahen Osten, die bei einer weiteren Eskalation zu befürchten sei. Zweitens wolle man „kein zweites Libyen“, also einen gescheiterten nicht mehr handlungsfähigen Staat. Es gebe in Moskau ein Interesse am Wiederaufbau und der Stabilisierung Syriens.
Politische Lösung mit allen Konfliktparteien
„In jeder Krise steckt auch eine Chance“, beschrieb de Mistura seine Erfahrungen in über 40 Jahren Krisendiplomatie. Für den Konflikt könne es keine militärische, sondern nur eine politische Lösung geben. Und die müsse alle Konfliktparteien einbeziehen, die innersyrischen und die internationalen. Dazu gehöre eine Einigung der USA mit Russland genau so wie eine Einigung der in Syrien rivalisierenden Regionalmächte Iran und Saudi-Arabien.