International

Warum SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz wenig vom G20-Gipfel hält

Zum G20-Gipfel in Hamburg werden heftige Gegenproteste erwartet. Auch SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz übt Kritik: Deutschland dürfe Autokraten wie Präsident Erdoğan keine Bühne bieten. Deshalb will Schulz weniger G20 – und mehr EU.
von Paul Starzmann · 29. Juni 2017
placeholder

Es dauert zwar noch einige Tage bis zum G20-Gipfel am 7. und 8. Juli in Hamburg, doch die Stadt befindet sich bereits jetzt im Ausnahmezustand. Der Grund: Wenn die Staats- und Regierungsschefs der 20 mächtigsten Industrienationen zusammenkommen, dann könnte es knallen in der Elbmetropole. Tausende Polizisten sind im Einsatz, viele rechnen mit Ausschreitungen und gewalttätigen Protesten. Dutzende Demonstrationen sind geplant – gegen das Treffen selbst, aber auch gegen einzelne Teilnehmer wie US-Präsident Donald Trump oder den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan.

Schulz über Erdoğan: „Keine Bühne für Hetz-Reden“

Auch der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz hat Probleme mit dem hochrangigen Gipfeltreffen in Hamburg. Vor allem dass der türkische Präsident Erdoğan den Deutschlandbesuch mit einem Auftritt vor seinen Anhängern verbinden will, stößt bei Schulz auf Ablehnung. „Ausländische Politiker, die unsere Werte zu Hause mit Füßen treten, dürfen in Deutschland keine Bühne für Hetz-Reden haben“, sagte er der Bild-Zeitung. Kritiker werfen Erdoğan immer wieder die Missachtung der Menschenrechte vor.

Nun will auch das Kanzleramt verhindern, dass Erdoğan eine Veranstaltung in Deutschland abhält. Schulz wertet das als seinen Erfolg: „Deshalb freue ich mich, dass die Bundesregierung meine Anregung aufgegriffen hat“, sagte er bei einer Veranstaltung des entwicklungspolitischen Verbands „Venro“ am Donnerstag in Berlin.

EU und UNO statt „exklusive Zirkel wie die G20“

Mit Demagogen wie Erdoğan oder Trump sei die G20-Konferenz nicht mehr als ein „Gipfel der Selbstdarstellungsmöglichkeiten“, sagte Schulz. Doch seine Kritik an dem Treffen geht weit darüber hinaus: Es sei nicht richtig, dass „exklusive Zirkel wie die G20“ über so viel Entscheidungsmacht in der Weltpolitik verfügten. Schulz will stattdessen internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen oder die Europäische Union stärken. Diese müssten sich weltweit für die Einhaltung der Menschen- und Arbeitnehmerrechte sowie für den Klimaschutz einsetzen.

Schulz forderte außerdem erneut die Regulierung der internationalen Finanzmärkte. Diese seien nicht dazu da, den „Wohlstand für selbsternannte Eliten zu generieren“. Spekulationen auf Nahrungsmittel seien „pervers“, sagte er. Der Hunger der einen dürfe nicht der Profit der anderen sein. Schulz forderte außerdem, überall auf der Welt Steuerhinterziehung rigoros zu bekämpfen: „Die Schattenfinanzplätze gehören in die Mottenkiste der Geschichte.“

Afrika ist mehr als ein Absatzmarkt

Dass der diesjährige G20-Gipfel den Schwerpunkt auf Afrika setze, befand Schulz für richtig. Aber: „Es ist nicht damit getan, dass die G20 ein paar handverlesene afrikanische Politiker einladen“, sagte er. Schulz will, dass die europäischen Staaten und die Länder im Süden den internationalen Handel „auf faire und partnerschaftliche Weise organisieren“. Die Augenhöhe zwischen den Verhandlungspartnern müsse gewährleistet sein, forderte er. „Wir dürfen die afrikanischen Länder nicht zu reinen Absatzmärkten degradieren.“

Als Bundeskanzler will Schulz die deutschen Bemühungen zur Bekämpfung der weltweiten Armut ausweiten – und mehrere Ressorts, vom Außen- bis zum Wirtschaftsministerium, damit betrauen. „Es gilt, auf gemeinsames, kohärentes und logisches Handeln der gesamten Regierung zu achten“, sagte der SPD-Chef. Denn eins sei klar: Sollten die Regierung Hunger und Armut auf der Welt nicht bald in den Griff kriegen, „dann gehen auch wir ganz, ganz schwierigen Zeiten entgegen“.

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare