Warum Sozialdemokraten Obama nachtrauern sollten
Als vor mehr als acht Jahren über 200 000 Berliner dem Präsidentschaftskandidaten Barack Obama zujubelten, warnte ich als damaliger deutsch-amerikanischer Koordinator vor übertriebenen Erwartungen. Heute, am Ende seiner achtjährigen Amtszeit, zeigen sich manche Kommentatoren enttäuscht. Mir geht es umgekehrt: Ich bin erfreut, wie viele seiner Wahlversprechen Obama doch eingelöst hat – und dies angesichts von republikanischen Mehrheiten im Kongress während großer Teile seiner Präsidentschaft.
Bereits in seiner Rede an der Berliner Siegessäule forderte Obama: „Europa und die Welt müssen gemeinsam Iran dazu bringen, von seinen Nuklearplänen Abschied zu nehmen.“ Dieses damals noch utopisch erscheinende Ziel wurde während seiner Präsidentschaft erreicht. Und er hat es in enger Partnerschaft mit der EU und in Zusammenarbeit mit Russland, Großbritannien, Frankreich und Deutschland verwirklicht. Heute stellt Trump das Iran-Abkommen und auch die Öffnungs-Politik Obamas gegenüber Kuba infrage.
Klima-Abkommen scheitert am US-Kongress
Bereits in seiner Rede in Berlin sprach Obama von der Notwendigkeit einer aktiven Politik gegen den Klimawandel. In Übereinstimmung mit diesem Versprechen haben die USA dann das Pariser Klima-Abkommen unterzeichnet. Bis in die letzten Wochen seiner Amtszeit hat er zahlreiche Entscheidungen zum Schutz des Klimas und der Umwelt getroffen. Auf die Absicherung dieser Entscheidungen durch Gesetze konnte er angesichts des Widerstandes im Kongress nicht hoffen. Wir werden in den nächsten Wochen erleben, wie ein Präsident Trump zahlreiche Entscheidungen Obamas rückgängig macht. Aber spricht dies gegen Obama oder nicht vielmehr gegen Trump und die ideologische Verbohrtheit der republikanischen Mehrheit im Kongress?
Obama-Care: Millionen Amerikaner erstmals krankenversichert
Die nach ihm benannte Gesundheitsreform, die sogenannte „Obama-Care“ hatte er noch zu den Zeiten demokratischer Mehrheiten im Kongress durchsetzen können. Millionen von Amerikanern wurden so zum ersten Male gegen gesundheitliche Risiken abgesichert.
Der Widerstand gegen die von Obama unterstützte Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe kam besonders von Seiten der „religiösen Rechten“. Sie war wichtiger Streitpunkt im „cultural war“, der das liberale und das konservative Amerika seit Jahren immer mehr voneinander trennt. Die Sorge vor einer liberalen Mehrheit im Obersten Gerichtshof war für die „religiöse Rechte“ ein wichtiger Grund Trump zu unterstützen. So entstand die abstruse Situation, dass die „religiöse Rechte“ den gläubigen Christen Obama, der in seiner achtjährigen Amtszeit keinen einzigen Skandal verursacht hatte, bekämpfte und den von zahlreichen Skandalen begleiteten und keineswegs für einen christlichen Lebenswandel bekannten Donald Trump unterstützte.
Umstrittene Außenpolitik
Manche Außenpolitiker werfen Obama vor, dass er sich nicht stärker militärisch in Syrien engagiert hätte. Aber haben nicht die militärischen Abenteuer seines Amtsvorgängers George W. Bush gezeigt, dass im Nahen Osten der Einsatz von Militär häufiger zu mehr Gewalt und Instabilität und nicht etwa – wie George W. Bush es versprach – zur besseren Achtung von Menschenrechten oder sogar zu demokratischen Entwicklungen führte. Dort, wo er es für unabweisbar hielt, hat Obama dann auch militärische Mittel eingesetzt. Dies mit teils umstrittenen Ergebnissen, wie in Afghanistan und im Nahen Osten – und auch mit zum Teil umstrittenen Mitteln, wie beim Einsatz von Drohnen.
Obama und Trump vertreten beide amerikanische Interessen. Aber sie tun dies aus einer völlig unterschiedlichen Weltsicht heraus und mit unterschiedlichen Methoden: Obama sagte bereits in seiner Rede an der Siegessäule, er halte seine Rede „als stolzer Bürger der USA und als Weltbürger“. An die Europäer gerichtet fügte er hinzu: „Wir brauchen Verbündete, die einander zuhören, voneinander lernen und einander vor allem vertrauen“. Für Trump geht es um „America first“ und häufig auch um Amerika allein. Er steht der NATO skeptisch und der EU fremd und häufig auch feindselig gegenüber. Es ist deshalb nur zu verständlich, dass die meisten Europäer seinem Amtsantritt mit großen Vorbehalten entgegen sehen.
Parallelen zu George W. Bush
In den Jahren der Präsidentschaft von George W. Bush sank das Vertrauen der Deutschen in den amerikanischen Präsidenten auf weit unter 30 Prozent. Während der Amtszeit von Obama stieg es auf über 80 Prozent. Wenn ein Präsident Trump so handelt wie er es als Kandidat seinen Wählern versprochen hat, dann wird das Ansehen des amerikanischen Präsidenten und damit auch das Vertrauen in die amerikanische Politik bald wieder auf das Niveau zu Zeiten von George W. Bush absinken. Sozialdemokraten haben allen Grund, Obama nachzutrauern.
war von 1976 bis 1998 Mitglied des Bundestags, seit 1983 als außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Von 1999 bis 2010 war er Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit.