Warum Olaf Scholz mit dem EU-Gipfel zufrieden ist
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Italiens Ministerpräsident Guiseppe Conte hatte schon Wochen vor dem EU-Gipfel immer wieder klar gemacht: Für ihn gebe es nur Euro-Bonds oder nichts. Italien werde sich auf nichts anderes einlassen. Und nach dem Gipfel? Die Euro-Bonds waren nicht einmal Thema auf dem Videogipfel der EU-Staats- und Regierungschefs. Von einem sehr sehr freundlichen Meinungsaustausch war hinterher die Rede, ohne jeden Streit – schon gar nicht über Euro-Bonds.
Ein klassischer europäischer Kompromiss
Dennoch twitterte Italiens Finanzminister Roberto Gualtieri nach dem Gipfel von einem Erfolg für Italien. Ebenso stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach der EU-Konferenz klar: „Es geht nicht, dass die Schulden vergemeinschaftet werden. Das habe ich genauso auch in der Videokonferenz wiederholt.“ Das klingt nach einem klassischen europäischen Kompromiss, bei dem sich alle ein bisschen als Sieger fühlen können.
Was aber wurde nun in der knapp vierstündigen Videokonferenz der EU-Staats- und Regierungschefs beschlossen? Euro- oder Corona-Bonds, also gemeinsame Anleihen der EU-Staaten, in jedem Fall nicht. Stattdessen einigte man sich auf ein 500 Milliarden Euro umfassendes Rettungspaket als Soforthilfe. Darunter fallen Staatshilfen aus dem Euro-Rettungsfonds ESM, Hilfen der EU beim Kurzarbeitergeld und Kredite der Europäischen Investitionsbank für Unternehmen.
Olaf Scholz: „Wir haben schnell gehandelt in Europa“
Bundesfinanzminister Olaf Scholz zeigte sich mit diesem Gipfelergebnis zufrieden. „Wir haben schnell gehandelt, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa“, sagte er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Auf dem 500-Milliarden-Programm, das Scholz vor dem Gipfel zusammen mit seinen Finanzministerkolleg*innen entwickelt hatte, könne man „jetzt erst mal für die nächste Zeit aufbauen“. Gleichwohl sei diese Soforthilfe nur ein erster Schritt.
Der zweite Schritt soll der Wiederaufbaufonds mit dem Namen „Recovery Fund“ sein, auf den sich der Gipfel in Grundzügen verständigte. Er soll im Rahmen des EU-Haushaltes von der EU-Kommission verantwortet werden. Im Gespräch sind dafür eine Billion Euro. Diese Zahl nennt man in Brüssel. Um diese gewaltige Summe aufzubringen, soll die Kommission auch Kredite aufnehmen dürfen.
Hilfe als Zuschuss oder als Kredit?
Details dazu soll Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Mai präsentieren. Und wie so oft steckt auch hier der Teufel im Detail. Konkret geht es um die Frage: Sollen die Mittel als Zuschüsse fließen, so wie es die EU-Staaten im Süden wollen, oder als Kredite, wie es die im Norden wollen? Ist der Streit in der EU zwischen Nord- und Südländern damit also nur vertagt?
Bundesfinanzminister Olaf Scholz bleibt gelassen. Er erwartet eine Mischung aus Zuschüssen und Krediten. Für Scholz ist allerdings auch klar: Die gemeinsame Bewältigung der Corona-Folgen „geht ohne weitere europäische Integration nicht voran“. Auch das bedeute Solidarität. „Wir sind bereit, auch mehr zu zahlen als in der Vergangenheit“, erklärte er.
Scholz: so konkret, genau und präzise wie möglich
Zugleich machte Scholz deutlich, es mache „gar keinen Sinn, dass jetzt überall große Summen in den Raum geworfen werden, ohne dass definiert wird, wofür sie konkret verwendet werden“. Es gehe darum, so konkret, so genau und so präzise zu sein wie möglich. Dann kämen vielleicht Summen zusammen, die größer als das in der Vergangenheit Gewohnte seien, „aber vielleicht auch nicht so hoch wie das, was einige jetzt erst mal ganz unspezifisch, aber beeindruckend hoch in den Raum werfen“.
Kritik am Auftreten der Kanzlerin auf dem EU-Gipfel kommt von Achim Post, dem stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion und Generalsekretär der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE). Dass sich Merkel zu höheren deutschen Beiträgen zum EU-Haushalt bereit erklärt habe, begrüßt er aber zunächst.
Achim Post: Ja zu neuen europäische Anleihen
„Dass Frau Merkel in der Debatte über gemeinsame Anleihen aber nur erklärt, was aus ihrer Sicht nicht geht, ohne auf mögliche Kompromisse wie die vom EU-Parlament vorgeschlagenen ‚Recovery Bonds‘ näher einzugehen, ist aus meiner Sicht deutlich zu wenig“, kritisiert Post. „Europa braucht jetzt ein solidarisches Wiederaufbauprogramm, dessen Höhe dieser beispiellosen Krise angemessen sein muss, indem es in erheblichem Umfang auch auf neuen gemeinsamen europäischen Anleihen beruht.“