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Warum Italiens Sozialdemokraten bei der Wahl abgestraft wurden

Die Regierungspartei PD von Matteo Renzi hat bei der italienischen Parlamentswahl eine krachende Niederlage hinnehmen müssen. Die Gründe dafür sind weitgehend selbstgemacht. Doch noch besteht die Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung.
von Ernst Hillebrand · 6. März 2018
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Italien hat gewählt. Die Regierungspartei PD hat mit knapp 19 Prozent ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahren. Auch Italiens linke Mitte ist nicht in der Lage, sich dem Abwärtstrend der Sozialdemokratie in Europa zu entziehen.

„Verschrotter“ aus Florenz

Das schwache Ergebnis wird dazu führen, dass die Partei in beiden Kammern des Landes mit deutlich weniger Abgeordneten als bisher vertreten sein wird. Im Senat könnte sie sogar nur noch die viertstärkste Fraktion sein, hinter den beiden Wahlgewinnern „Movimento 5 Stelle“ und der rechtspopulistischen „Lega“ sowie der konservativen „Forza Italia“ von Silvio Berlusconi.

Die Gründe für das schwache Abschneiden der „Partito Democratico“ (PD) sind vielfältig. Sicherlich war es ein Problem, dass die Wahlkampagne auf den Parteivorsitzenden Matteo Renzi und nicht auf den sehr viel populäreren Premierminister Paolo Gentiloni zugeschnitten war. Renzis Zustimmungswerte haben sich bis heute nicht von der Regierungsperiode und der Niederlage beim Verfassungsreferendum im Dezember 2016 erholt. Kein anderer Vorsitzender einer größeren Partei hatte bei Umfragen vor der Wahl so hohe Negativwerte wie der einstige „Verschrotter“ aus Florenz.

Papier mit hundert Spiegelstrichen

Gleichzeitig ist es der PD nie gelungen, ihre Wahlkampagne auf eingängige Themen und Vorschläge zu verdichten. Während die Gegner klar erkennbare Symbolmaßnahmen in der öffentlichen Debatte verankern konnten – eine „Flat tax“ und eine härtere Einwanderungspolitik bei der Rechten, ein Grundeinkommen und eine Beschneidung der Politikerbezüge bei den Fünf-Sternen – verlor sich die Botschaft der PD in einem Papier mit hundert Spiegelstrichen.

Im Kern konzentrierte sich die Kampagne darauf zu erklären, dass sich das Land dank der PD wirtschaftlich wieder berappele. Das beschworene Wachstum ist allerdings zu gering (1,5 Prozent in 2017), um die Lebensumstände der meisten Italiener positiv zu verändern. Auch die Arbeitslosigkeit bleibt mit 11 Prozent hoch. Vor allem im Bereich der dramatisch hohen Jugendarbeitslosigkeit (32 Prozent) hat die anziehende Konjunktur noch keine Auswirkung gehabt – erst recht nicht im Süden, wo die Jugendarbeitslosigkeit bei 60 Prozent liegt.

Härtere Immigrationspolitik

Als Gift für das Wahlergebnis der Linken hat sich auch das Thema Einwanderung erwiesen. Trotz eines Umsteuerns im Sommer 2017 wird die PD sehr stark mit der davor praktizierten Politik der „accoglienza“, der italienischen Version der Willkommenskultur assoziiert. Dem gegenüber steht eine öffentliche Meinung, die mit 2/3-Mehrheit für eine härtere Immigrationspolitik plädiert. Das Vordringen der rechtspopulistischen Parteien (Lega und Fratelli d’Italia) in sozial schwache Milieus hat auch damit zu tun, dass diese Parteien diese Stimmung aufgriffen und in das Zentrum ihrer Wahlkommunikation geschoben haben.

Schließlich kamen auch noch handwerkliche Schnitzer dazu. Man müsse endlich aufhören, anderen Parteien Fallen zu stellen, in die man selbst hineintappe, erklärte ein führender PD-Mann vor einem Jahr nach dem verlorenen Verfassungsreferendum.

Das Gegenteil ist eingetreten

Das Wahlgesetz, nach dem nun gewählt wurde, war so eine Falle: Durch die Koppelung von Erst- und Zweitstimmen sollten die Fünf-Sterne, die über wenig bekannte Wahlkreiskandidaten verfügten, geschwächt werden. Passiert ist das Gegenteil: Die Popularität der Protestpartei hat auch bei den Direktmandaten zu einer Flut von Erfolgen für die Fünf-Sterne geführt. Während die PD im Senat nur 14 Direktmandate geholt hat, gewannen die „Grillini“ 39 davon.

Die Frage, die sich nun alle stellen, ist die nach der Zukunft des Parteivorsitzenden Matteo Renzi. Er kündigte zwar am Montag seinen Rückzug vom Parteivorsitz an. Allerdings will er dies als Rückzug auf Raten gestalten und das Amt erst nach einer Regierungsbildung abgeben. Damit versucht er, vom Senat aus weiterhin die Partei zu kontrollieren und zu verhindern, dass seine parteiinternen Gegenspieler den Fünf-Sternen bei der Regierungsbildung entgegen kommen. Die Rolle der PD sei in der Opposition, so Renzi. Tatsächlich sucht Renzi eine Regierungsrolle für die PD nicht an Seiten der 5-Sterne, sondern an der von Silivo Berlusconis Forza Italia.

Renzianer und Nicht-Renzianer

Widerstand gegen diese Taktik Renzis hat sich sofort formiert, es ist aber unklar, wie stark er ist. Renzi hat die Partei seit Februar 2016 konsequent zu einer „Partito di Renzi“ umzubauen versucht und die Kandidatenlisten für beide Kammern nach persönlichen Loyalitätsüberlegungen besetzt. Eine ganze Reihe starker und populärer „Nicht-Renzianer“ blieben dabei auf der Strecke. So verfügt er nun über relativ loyale Fraktionen in beiden Kammern. Wie loyal, wird sich allerdings erst in den nächsten Wochen zeigen.

Denn natürlich stellt sich trotz des schwachen Ergebnisses die Frage nach einer Regierungsbeteiligung der PD. Die Bildung einer Regierungsmehrheit in Italien gleicht nach diesem Wahlergebnis dem Versuch der Quadratur eines Kreises. Alle möglichen Akteure werden zu erheblichen Kompromissen gezwungen sein. Die Frage ist, ob sich die PD völlig aus dem Spiel nehmen will und die Regierungsbildung den Fünf-Sternen und der Rechten überlassen will. In vielen Fragen gibt es nicht nur Berührungspunkte zu Berlusconis rechter Mitte (vor allem in der Europapolitik), sondern auch zu Positionen der Fünf-Sterne-Bewegung. „Never say never“ ist auch in der Politik kein falsches Motto. Zumal keine der Parteien über die finanziellen Mittel für einen weiteren Wahlkampf verfügt.

Autor*in
Ernst Hillebrand

war Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Polen.

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