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Warum Griechenlands Schuldenschnitt nicht gegen europäisches Recht verstößt

2012 hatte Griechenland nach einem Schuldenschnitt seinen Gläubigern neue Anleihen mit dem halbem Wert zugewiesen. Privatanleger sprachen von „faktischer Enteignung". Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg sieht das anders.
von Christian Rath · 21. Juli 2016
Mit dem Schuldenschnitt 2012 reduzierte Griechenland seine Schuldenlast um rund 107 Milliarden Euro.
Mit dem Schuldenschnitt 2012 reduzierte Griechenland seine Schuldenlast um rund 107 Milliarden Euro.

Im Jahr 2012 führte Griechenland einen Schuldenschnitt durch. Alte Staatsanleihen wurden gegen neue Staatsanleihen umgetauscht. Die Anleger verloren dabei 53 Prozent des Nominalwerts und der griechische Staat reduzierte seine Schuldenlast um rund 107 Milliarden Euro.

Schuldenschnitt: „Faktische Enteignung" von Privatanlegern?

Formal erfolgte der Umtausch freiwillig. Durch ein Gesetz vom Februar 2012 wurde den Anleihen eine "Collective Action Clause" beigefügt. Danach war die Umschuldung für alle Anleger verbindlich, wenn zwei Drittel des Kapitals dem Schuldenschnitt zustimmen. In Griechenland gab es sogar eine Zustimmung von rund 91 Prozent.

Viele Privatanleger klagten jedoch gegen diese „faktische Enteignung". Als sie vor griechischen Gerichten keinen Erfolg hatten, gingen 6320 Anleger zum EGMR, einer Einrichtung des Europarats mit 47 Mitgliedern mit Sitz in Straßburg. Sie hatten Anleihen im Wert zwischen 10.000 Euro und 1,5 Millionen Euro gezeichnet.

Die Straßburger Richter lehnten die Beschwerde nun aber einstimmig ab. Der Schuldenschnitt habe nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen. Zunächst stellten die Richter fest, dass die Umschuldung ein legitimes Ziel verfolgte. Seit 2010 konnte Griechenland seine Schulden nicht mehr bezahlen und wurde von auswärtigen Geldgebern wie dem IWF und den EU-Staaten abhängig. Durch die Reduzierung der Schuldenlast konnte der Staatsbankrott abgewendet und die Zinslast gesenkt werden.

Investitionen in Anleihen nie ohne Risiko

Die Straßburger Richter hielten die Maßnahme auch für verhältnismäßig. Zwar klinge ein Wertverlust von über fünfzig Prozent gewaltig. Allerdings lag der Marktwert der Anleihen 2012 schon deutlich niedriger als deren Nominalwert. Es bestand sogar die Gefahr, dass der Staat das Geld am Ende der Laufzeit gar nicht zurückzahlen kann.

Die Anleger wurden nun daran erinnert, dass Investitionen in Anleihen nie risikofrei sind. Vor allem bei griechischen Anleihen bestand das reale Risiko des Staatsbankrotts. Für die Anleger sei dies auch nicht überraschend gekommen, denn auch vor Ausbruch der Krise 2009 hatte Griechenland schon hohe Schulden und hohe jährliche Defizite.

Für zulässig halten die Straßburger Richter auch die Collective Action Clause, die heute in fast allen derartigen Staatsanleihen enthalten ist. Eine Mehrheitsentscheidung sei notwendig, weil sonst diejenigen, die sich dem Schuldenschnitt entziehen, profitieren könnten und deshalb eine Umschuldung gar nicht gelingen würde.

Gegen das Urteil ist noch Berufung zur Großen Kammer des EGMR möglich.

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