Warum George Soros für Rechtspopulisten der ideale Sündenbock ist
Im vergangenen Sommer schien es, als ob die Ungarn dem Finanzinvestor und Philanthropen George Soros nicht entkommen könnten. Die Regierung hatte im ganzen Land Plakate aufhängen lassen, auf dem das Gesicht des 87-Jährigen abgelichtet war. Dabei schaute den Betrachtern ein hämisch grinsender Soros entgegen, daneben der Schriftzug: „Lassen wir es nicht zu, dass Soros als Letzter lacht.” Mehr als 18 Millionen Euro soll die Regierung für die „Informationskampagne“ bezahlt haben. Damit wollte sie Stimmung gegen Soros angebliches Vorhaben machen, Flüchtlinge unbegrenzt in das Land kommen zu lassen. Von einer geplanten „Massenumsiedlung“ war die Rede.
„Äußere Kräfte“
Mit dem Feldzug gegen einen offensichtlich frei erfundenen Plan machte die Regierung aus Soros wieder einmal einen Fiesling, der das Land mit einer Verschwörung ins Verderben stürzen wolle. Besonders feindselig begegnet ihm Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, der für Krisen im Land gerne „äußere Kräfte“ verantwortlich macht. George Soros, den er als „Feind des Volkes“ bezeichnet, muss oft als Sündenbock herhalten. Es bleibt nicht bei Worten. 2015 wurden zwei Soros-Stiftungen für „unerwünscht“ erklärt, weil sie angeblich verfassungsfeindlich seien.
Während die ungarische Regierung Soros als einen Superschurken darstellt, ergibt sich bei genauerer Betrachtung ein anderes Bild. Der Amerikaner ungarischer Herkunft zählt zu den erfolgreichsten Finanzinvestoren weltweit. Sein Vermögen machte er mit Wetten auf wirtschaftliche Trends. Bekannt wurde Soros, als er 1992 gegen das britische Pfund spekulierte und damit eine Milliarde Dollar verdiente.
In Budapest geboren
Einen großen Teil seines Vermögens, das auf 25 Milliarden Dollar geschätzt wird, steckt Soros in wohltätige Zwecke, in die Soros-Stiftung und die Open Society Foundations (OSF). Mit ihren weltweit 40 Niederlassungen hat die OSF nach eigenen Angaben innerhalb von 35 Jahren rund 14 Milliarden Dollar ausgegeben. Während sich die Stiftung für offene Gesellschaften und Demokratie einsetzt, fließt Geld auch in Menschenrechtsprojekte und Förderprogrammen für Minderheiten.
Das milliardenschwere Engagement des jüdischen Finanzgurus resultiert wahrscheinlich aus seiner Lebensgeschichte. Soros wird 1930 als György Schwartz in Budapest geboren. Mit Glück entkommt er dem Holocaust. Als 17-Jähriger geht er nach Großbritannien ins Exil. Nach dem Studium an der London School of Economics wandert er in die USA aus, wo er als Hedgefonds-Manager reich wird.
Einflussnahme
Seine Wurzeln in Osteuropa und zu diesem Abschnitt seines Lebens vergisst er allerdings nie. Dort wurde er von den Nationalsozialisten verfolgt, und in diesem Teil Europas herrschte nach dem Krieg der kommunistische Totalitarismus. Vermutlich setzt sich Soros deshalb für das Erstarken der Demokratie ein. In den 1980er fördert er Oppositionelle in Osteuropa. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs eröffnet seine Open Society Foundations Filialen in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Soros soll dafür innerhalb von 30 Jahren rund 1,8 Milliarden Dollar ausgegeben haben.
Zu seinen größten Widersachern zählt Präsident Putin. Das beruht auf Gegenseitigkeit. Soros warnt seit Jahren, dass der russische Präsident die EU zerstören wolle. Es verwundert daher kaum, dass sich der 87-Jährige besonders stark in der Ukraine bei ihrem Weg zu einer westlichen Demokratie engagiert. Gleichzeitig hat er viel Geld in Staatsanleihen, Firmen und Medien investiert, mit denen auch der Einfluss Russlands zurückgedrängt werden soll. Seine Kritiker werfen ihm vor, selbst Einfluss auf die Politik des Landes zu nehmen. Von „regime change“ ist die Rede.
Ende des Schweigens
Inzwischen ist der Amerikaner zur Lieblingshassfigur von osteuropäischen Nationalisten, Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen geworden. Der Tenor: Der Multimilliardär ist Teil der jüdischen Weltverschwörung, die aus Profitgier die Völker unterjochen wollen. Für diese krude Ansicht scheint der 87-Jährige ideal zu sein: das Eintreten für offene Gesellschaften, Reichtum, jüdische Abstammung und die Tätigkeit an der Börse. Der Name George Soros ist inzwischen dermaßen bekannt, dass sich bereits andere Politiker in Osteuropa das Feindbild zunutze machen.
George Soros hat zu den Attacken lange Zeit geschwiegen. In einem Interview mit Spiegel Online sagte er, dass er dies nicht „persönlich“ nehme. Angesichts der aggressiven Kampagne von Ministerpräsident Orban ging er im Dezember zum Gegenangriff über: „Er hat die Demokratie in ein antidemokratisches Regime gewandelt. Er schuf einen Mafiastaat“, sagte der 87-Jährige in einem Online-Video. Vielleicht steckte darin auch etwas Enttäuschung. Schließlich hatte Orban 1989 mit einem von Soros finanzierten Stipendium in Oxford studiert.