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Warum es zum Jubeln über den Sieg Emmanuel Macrons noch zu früh ist

Der sozialliberale Emmanuel Macron hat die erste Runde der französischen Präsidentschaftswahlen gewonnen. Doch die Stichwahl steht noch aus. Gewinnt er, liegt das Schwierigste noch vor ihm: ein Land zu reformieren, dessen Wähler zu über 40 Prozent für anti-europäische Populisten votierten.
von Karin Nink · 24. April 2017
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Ein Aufatmen geht durch Europa. Bei den französischen Präsidentschaftswahlen haben nicht die beiden anti-europäischen Kandidaten Le Pen und Mélenchon die erste Runde gewonnen, sondern der pro-europäische Kandidat Emmanuel Macron ist als Sieger hervorgegangen und in die Stichwahl gekommen. Seine Konkurrentin ist – erwartungsgemäß – die rechtsextreme Marine Le Pen, die aber deutlich mehr Stimmen verbuchen konnte als bei der Wahl 2012.

Frankreich ist tief gespalten

Doch die Erleichterung über den Macron-Sieg darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Land tief gespalten ist. Zählt man die Stimmen der Populisten und Anti-Europäer zusammen, so kommt man auf gut 40 Prozent. Denn nicht nur Le Pen will Frankreich aus dem Euro, der europäischen Währungsunion oder gar ganz aus der EU holen und nationale Grenzen wieder hochziehen. Auch Jean-Luc Mélenchon, bis 2008 Mitglied der SPD-Schwesterpartei Parti Socialiste (PS) und 2000 bis 2002 Minister im Kabinett des sozialistischen Premierministers Lionel Jospin, setzte auf alte Nationalismen und trifft sich am Ende der Strecke mit Le Pen, was seine anti-europäischen Forderungen angeht.

Das große Votum für die Populisten zeigt, dass die gestrige Wahl auch eine Abrechnung mit dem alten politischen System Frankreichs ist. Keiner der Vertreter der alten Parteien ist in die Stichwahl gekommen. Das gab es in der seit 1958 bestehenden Fünften Republik noch nie. Die großen Parteien, die Konservativen und die PS, müssen intensiv darüber nachdenken, was das für die Zukunft des Landes und für ihre Politik bedeutet. Im Juni stehen für sie mit den Parlamentswahlen die nächsten Voten der Wählerinnen und Wähler an.

Macron muss in der Stichwahl kämpfen

So erfolgreich der parteilose Macron den ersten Wahlgang bestanden hat, darf sein Sieg nicht darüber hinwegtäuschen, dass er die „Seconde“, also den zweiten Wahlgang, noch nicht gewonnen hat. Nach seiner Niederlage hat der von den Kommunisten unterstütze Mélenchon, der in diesem engen Rennen mit gut 19 Prozent einen veritablen Achtungserfolg erzielte, anders als der gescheiterte sozialistische Kandidat Benoit Hamon und der Konservative François Fillon, seinen Wählern nicht empfohlen, im entscheidenden zweiten Wahlgang auf den pro-europäischen Macron zu setzen. Ein Fauxpas, der alles über einen alten eitlen Mann sagt, aber auch darüber, wie wenig Verantwortung er für Frankreich empfindet.

Macron und Le Pen werden im zweiten Wahlgang sowohl um die Gunst der Anhänger von eben jenem Mélenchon als auch bei denen von François Fillon werben. Wie viele der sehr konservativ und katholisch geprägten Fillon-Anhänger letztlich den ehemaligen sozialistischen Wirtschaftsminister Macron wählen, ist derzeit noch nicht absehbar. Hört man sich in diesem Milieu um, kommt leider viel zu oft die Antwort, bei dieser Ausgangsposition gehe man erst gar nicht zur Wahl oder wähle die Rechtsextremistin Le Pen, Macron jedenfalls nicht.

Schafft ein Präsident Macron Reformen?

Dennoch wird Macron sich auf einen Teil des konservativen Lagers stützen können, die Sozialisten werden ihren ehemaligen Wirtschaftsminister unterstützen. Gleiches mag für die Grünen gelten, die im ersten Wahlgang den Sozialisten Hamon auch als ihren Kandidaten verstanden haben. Umfragen jedenfalls gehen derzeit davon aus, dass der neue französische Präsident am Abend des 7. Mai Emmanuel Macron heißen wird. Damit wäre die Sensation perfekt: Erstmals gewinnt ein Parteiloser die französische Präsidentschaftswahl.

Für Macron fängt seine schwierigste Aufgabe dann aber erst an: Denn es muss ihm gelingen, die Hoffnungen, die er bei seinen Anhängern und darüber hinaus geweckt hat, zu erfüllen. Schafft er dies nicht, können Le Pen und andere Populisten entspannt auf die nächste Wahl warten. Setzen wir darauf, dass Macron dies mit Unterstützung starker demokratischer Kräfte in Frankreich wie der PS gelingt.

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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