Warum die US-Strategie gegenüber Nordkorea gescheitert ist
Die USA und Nordkorea befinden sich militär-strategisch in einer Pattsituation. Jenseits der Drohgebärden kann keine der Konfliktparteien konkrete militärische Schritte unternehmen ohne große Verluste in Kauf zu nehmen. Soll es zu einer friedlichen Lösung kommen, so müssen die USA mehrere bittere Pillen schlucken.
Für Nordkorea läuft alles nach Plan
Die Zeit, in der taktische Züge, Druck oder Gesprächsangebote zielführend wären, scheint vorbei. Die Wiederaufnahme von neuen Gesprächsformen und die Möglichkeiten der Annäherungspolitik sind nur mittelfristig möglich. Da Nordkoreas Strategie ausschließlich auf die USA zielt, sind die Optionen für dritte Parteien außerhalb des UN Rahmens sehr eingeschränkt.
Für das Regime in Nordkorea läuft zurzeit alles nach Plan. Seitdem die Vereinbarungen von 2012 zwischen den USA und Nordkorea gescheitert sind und nachfolgende informelle Gespräche sowie kleine, vertrauensbildende Schritte in der Zusammenarbeit mit Südkorea für Pjöngjang nicht zu zufriedenstellenden Ergebnissen geführt haben, geht das Regime konsequent seinen eigenen Weg.
Pjöngjang setzt auf nukleare Abschreckung
Im Kern lag das Problem darin, dass die nordkoreanische Regierung ihre beiden Kernforderungen nicht beachtet sah. Diese sind Sicherheitsgarantien durch die USA und die Verhandlung eines Friedensabkommens. Von Seiten der USA gab es stets nur das Angebot für Gespräche über das Atomwaffenprogramm unter der Vorbedingung, dass Pjöngjang bisherigen Verpflichtungen nachkommt.
Seit etwa 2014 verfolgt Nordkorea einen kompromisslosen Ansatz. Die Entwicklung einer nuklearen Abschreckung und der dazugehörigen Raketentechnologien ist aus der Sicht von Pjöngjang nicht mehr verhandelbar. Zwei Ziele stehen dabei im Zentrum des Ansatzes: die Sicherheit des Landes – und der Regierung – durch nukleare Abschreckung und zukünftige Verhandlungen auf Augenhöhe.
Neuer Status quo durch Atomwaffen
Der Versuch der USA in den vergangenen Wochen, den Konflikt verbal zu eskalieren, hat das Gegenteil von dem erreicht, was eigentlich beabsichtigt war. Der verbale Aufbau einer militärischen Eskalation sollte eine gesichtswahrende Hintertür öffnen, um beide Parteien an den Tisch zu bringen. Allerdings konnte Nordkorea diese Situation für sich nutzen. Intern ist das Regime weiterhin in der Lage die Öffentlichkeit zu überzeugen, dass das Land nach über 60 Jahren des unbeendeten Krieges noch immer ernsthaft bedroht wird.
Die gegenwärtige militärische Pattsituation hat Nordkoreas vorzeitig in die Hände gespielt. Angesichts des unentschlossenen Kurses der USA scheint ein Abschreckungsszenario bereits vor der vollendeten Entwicklung seiner nuklearen Waffentechnologie eine Tatsache zu sein. Pjöngjang hat ein Etappenziel erreicht, nämlich den Aufbau eines neuen Status quo, der die Grundlage sein soll für zukünftige diplomatische Beziehungen und Sicherheitskooperation.
Rat- und Machtlosigkeit in Peking
Die US-Regierung hatte in den vergangenen Jahren auf einen Ansatz der „strategischen Geduld“ gesetzt. Externer Druck und Sanktionen zur Verhinderung der Weiterverbreitung von Technologien sollten Pjöngjang zur Umkehr bewegen, um Verpflichtungen aus bisherigen Abkommen nachzukommen. Der Ansatz war symptomatisch für zwei grundlegende Umstände. Aufgrund des Widerstands im Kongress war es unmöglich, neue diplomatische Schritte zu akzeptieren. Außerdem führte in den USA das mangelnde Verständnis für die nordkoreanischen Forderungen und Bedürfnisse dazu, dass das Land ausschließlich als Problem und nicht als Verhandlungspartner auf Augenhöhe angesehen wurde. Entsprechend waren Gespräche in der Vergangenheit einseitig auf Abrüstung ausgerichtet, während Pjöngjangs Forderungen nach Sicherheitsgarantien weitgehend ignoriert wurden.
Auch die gegenwärtigen Versuche das Problem weiterzugeben, wie die Aufforderung an China größeren Druck und Einfluss auszuüben, sind realitätsfern. China hat während der letzten Jahre seinen Einfluss in Nordkorea verloren, nicht zuletzt aufgrund seiner Kooperation mit den USA. Stärkere unilaterale Sanktionen außerhalb des UN-Regimes liegen nicht in Pekings Interesse, die koreanische Halbinsel zu stabilisieren. Chinas Versuch, alte gescheiterte Verhandlungsformeln wiederzubeleben, ist nicht nur aussichtlos, sondern offenbart auch die Ratlosigkeit in Peking.
Militärische Option funktioniert nicht
Der Versuch, durch ein Einfrieren des Atomprograms und gleichzeitiger Einstellung der US-südkoreanischen Militärmanöver die Tür für neue Gespräche zu öffnen, ging sowohl Washington als auch Pjöngjang schon in der Vergangenheit aufgrund mangelnden Vertrauens nicht weit genug. China sieht sich im Konflikt zwischen den USA und Nordkorea als Beobachter an der Seitenlinie. Um neue Gespräche ausrichten zu können würde Peking einen konzilianteren Ansatz der USA begrüßen.
Gegenwärtig befindet sich Washington in einem Dilemma. Aufgrund der fortgeschrittenen Entwicklungen sind nur zwei Optionen geblieben, die für die Supermacht beide unvorteilhaft sind. Erstens: eine militärische Operation. Sie würde nicht unbedingt das gewünschte Ziel erreichen und große materielle und menschliche Verluste, insbesondere durch Angriffe auf Südkorea mit sich bringen. Allein die Debatte über militärische Lösungen und damit verbundene Schutzversprechen hat zu Zerwürfnissen zwischen den USA und ihrem Verbündeten Südkorea geführt. Die zweite Option wäre eine friedliche Lösung die auf Diplomatie setzt. Sie kann jedoch nur mittel- bis langfristig zu Erfolgen führen.
Erkennen die USA Status quo an?
Damit ein friedlicher Ansatz im Rahmen einer Annäherungspolitik erfolgreich sein kann, müssten allerdings auch die USA einer Reihe von Vorbedingungen nachkommen. Dazu gehört die de facto Anerkennung des neuen Status quo der auf Abschreckung basiert. Dieser garantiert Nordkorea Gespräche auf Augenhöhe und bedarf neuer Regeln zwischen den beiden Staaten, die verhandelt werden müssten. Da dieser Status quo sich unweigerlich von alleine entwickelt, hätten die USA jetzt die Chance, proaktive Schritte zu unternehmen, bevor die Fakten sie erneut in Zugzwang bringen.
Mittel- bis langfristig müssten die USA ihr Narrativ über die einseitigen Verfehlungen Nordkoreas überdenken und ihre Rolle als eine von zwei Konfliktparteien akzeptieren. Nur ein solcher Ansatz würde die Türen für eine Annäherung und einen vermittelten Friedensprozess unter Einbeziehung dritter Parteien wie der EU und China öffnen.