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Warum das Safe-Harbor-Urteil den europäischen Datenschutz stärkt

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stärkt den Datenschutz. Das sogenannte Safe-Harbor-Abkommen der EU-Kommission mit den USA verstößt nach Ansicht der Richter gegen europäische Grundrechte. EU-Parlamentarierin Birgit Sippel fordert weitere Konsequenzen.
von Birgit Sippel · 6. Oktober 2015
Europäischer Datenschutz
Europäischer Datenschutz

Seit Jahren haben wir Sozialdemokraten massive Bedenken an Safe Harbor (auf Deutsch „sicherer Hafen“)  geäußert, denn der Kommissions-Beschluss erlaubt Firmen die Weitergabe personenbezogener Daten von EU-Bürgern in die USA, ohne ausreichende Grundrechtsgarantien zu bieten. Die NSA-Enthüllungen aus dem Sommer 2013 haben den vermeintlich sicheren Hafen dann endgültig als Farce entlarvt.

Den Stein ins Rollen gebracht hat der österreichische Facebook-Nutzer Maximilian Schrems. Er hatte in Irland Beschwerde gegen die dort ansässige Tochtergesellschaft von Facebook eingereicht, die die Daten zum großen Teil oder ganz in die USA weiterleitet. Nach der NSA-Affäre sah er den Schutz seiner Daten nicht mehr als gewährleistet an. Da die EU-Kommission mit ihrem Beschluss die USA als „sicher“ anerkannt hatte, durfte die irische Datenschutzbehörde die Beschwerde von Herrn Schrems aber nicht einmal untersuchen. Der EuGH hat diesem absurden System nun die Legimitation entzogen und erklärt, dass die EU-Kommission nicht das Recht hat, die Aufsichtskompetenzen nationaler Datenschutzbehörden dermaßen stark einzuschränken.

Was das Safe-Harbor-Abkommen alles erlaubt hat

Das am Dienstag gekippte Safe-Harbor-Regime stammt aus dem Jahr 2000. Der Beschluss erlaubt den Transfer an Firmen wie Google, Facebook und Co., wenn diese eine Selbstverpflichtung zum Datenschutz eingehen – ein völlig unzureichendes Schutzsystem, nicht erst seit der NSA-Affäre. Der EuGH bemängelt folgerichtig in seinem Urteil, dass die derzeitigen Regeln generell die Speicherung aller aus der EU in die USA übermittelten personenbezogenen Daten gestatten.

Jegliche Differenzierung, Einschränkung, Ausnahme anhand des verfolgten Ziels oder objektive Kriterien, die es ermöglichen, den Zugang der Behörden zu den Daten und deren spätere Nutzung zu beschränken, fehlen. Die laxen Zugriffsrechte US-amerikanischer Behörden auf die Daten – etwa aus Gründen einer nicht näher definierten „nationalen Sicherheit“ –  sind besonders beunruhigend, weil es eben nicht „nur“ um die Metadaten (in sich selbst schon hochsensibel), sondern auch um die Inhalte von Kommunikation geht.

Zudem haben EU-Bürger keine Möglichkeit, sich rechtlich gegen Datenmissbrauch zu wehren. Das steht im eklatanten Widerspruch zum EU-Grundrecht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz.

Das Urteil muss Folgen für die EU-Datenschutzreform haben

Als direkte Folge des Urteils darf die irische Datenschutzbehörde nun die Beschwerde von Max Schrems prüfen. Ich erwarte das Ergebnis mit Spannung. Für mich steht zudem fest: Dieses Urteil muss auch Konsequenzen für die laufende EU-Datenschutzreform haben. Wir müssen die Regeln für den Datentransfer in Drittstaaten noch einmal grundlegend unter die Lupe nehmen. Wirtschaftliche Interessen dürfen, wie beim aktuellen Safe-Harbor-Regime, kein Einfallstor für millionenfachen Grundrechtebruch sein. Zudem brauchen wir eine Stärkung der nationalen Aufsichtsbehörden; sie sind das Rückgrat des EU-Datenschutzes. Wir müssen ihnen die Werkzeuge geben, einen hohen Schutz der Grundrechte in der EU effektiv durchzusetzen.

Die heutige Entscheidung sendet ein klares Signal nach Washington: Europäische Grundrechte müssen auf beiden Seiten des Atlantiks respektiert werden!

Autor*in
Birgit Sippel
Birgit Sippel

ist innenpolitische Sprecherin der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament.

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