Warum Covid-19 für die UN auch eine Sicherheitsfrage ist
Die Corona-Pandemie macht einmal mehr deutlich, wie sehr eine vernetzte Welt ein globales Krisenmanagement benötigt. Die Vereinten Nationen hätten das Potenzial dazu. Im Laufe der letzten 75 Jahre wurden sie zu einem Ort der globalen Normensetzung; sie haben wichtige Ideen und Initiativen vorangetrieben. Die Kapazitäten für die Operationalisierung gleichwohl sind beschränkt, während die Erwartungen an die Organisation hoch sind. Zum Vergleich: Das UN-Kernbudget entspricht ungefähr dem Haushalt der Stadt Stuttgart.
Ein großes Manko in den 75 Jahren der Vereinten Nationen – der Mangel an einer globalen Öffentlichkeit mit einem Bewusstsein für die Vernetztheit der Welt – wirkt sich gerade jetzt besonders deutlich aus: Maßnahmen der UN werden wenig wahrgenommen, die lokale und nationale Ebene steht für fast alle Bürgerinnen und Bürger im Vordergrund. An diesem Tatbestand kann die UN in New York wenig ändern – es wäre Aufgabe der Nationalstaaten, ihrer Regierungen und Parteien, der Zivilgesellschaft, Medien und Öffentlichkeit.
Auch UN-Zentrale in New York im „shutdown“
Aktuell sind auch die Vereinten Nationen in New York vom shutdown unmittelbar betroffen, der „Bienenkorb“ in New York ist verwaist und tagt ausschließlich virtuell. In ihrem am 23. April vorgestellten Programm A UN framework for the immediate socio-economic response to Covid-19 deklarieren die Vereinten Nationen den emergency modus. Sie identifizierten fünf Arbeitsbereiche für die Bekämpfung der Pandemie und ihrer Folgen. Ein bedeutender Teil der Mittel zur Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele soll dafür zur Verfügung gestellt werden.
Die Generalversammlung hat am 20. April einstimmig eine Resolution zur Kooperation im Bereich der Ausstattung mit Impfmitteln, Tests und Schutzequipment verabschiedet und diese als Global Public Goods deklariert. Generalsekretär António Guterres forderte am 23. März die Welt auf, während der Pandemie einen globalen Waffenstillstand einzuhalten. Zudem wurden zwei Covid-19 Fonds zur Unterstützung der humanitären Hilfe und des sozioökonomischen Wiederaufbaus aufgelegt. Der UN- Sicherheitsrat hat sich am 30. April mit der Frage beschäftigt, ob Covid-19 als eine Bedrohung von Frieden und Sicherheit einzustufen ist – und damit in die Zuständigkeit des Sicherheitsrates fällt.
Menschrechte stärken – auch in der Krise
Andere UN-Organisationen und Programme haben empirische Analysen zu den Folgen von Covid-19 erarbeitet. Sie machen einmal mehr deutlich, dass eine Pandemie kein „Gleichmacher“ ist, sondern bestehende Ungleichheiten innerhalb von Staaten und zwischen Staaten massiv verstärkt werden – wenn nicht dezidiert gegengesteuert wird. Generalsekretär Guterres drängt darauf, bei allen Konsolidierungsmaßnahmen die Menschenrechte zu stärken und integrierte Antworten auf allen Krisenebenen – Gesundheit, Wirtschaft/Finanzen und Klima – zu finden. Die 2030-Agenda bietet dafür den normativen Rahmen.
Die Vereinten Nationen können als Mitgliedsorganisation und diplomatische Plattform nur so stark sein wie der politische Wille der Mitgliedsstaaten. Auch wenn die UN-Charta mit „We the peoples“ beginnt, sind es Nationalstaaten, die die Basis dieser multilateralen Organisation bilden und diese stärken oder schwächen können. Seit einigen Jahren wächst die Zahl der Staaten, die den Zusammenhang zwischen nationalstaatlichem Patriotismus und internationaler Solidarität im 21. Jahrhundert nicht erkennen.
In Zeiten starker geopolitischer und -ökonomischer Spannungen ist es nicht einfach, in den Modus der pragmatischen Zusammenarbeit zu wechseln. Ein koordiniertes Vorgehen bedarf des politischen Willens auf globaler Ebene – auch hier sind die Nationalstaaten in ihrem eigenen Interesse gefragt. Die 2019 gegründete Alliance for Multilateralism, aber auch Zusammenschlüsse progressiver zivilgesellschaftlicher Kräfte wie die Progressive Alliance, sind wichtige Akteure auf diesem Spielfeld. Um die Wirksamkeit der UN als einzigem wirklich globalen und universellen Akteur zu erhöhen, kommt es außerdem auf die aktive Zusammenarbeit mit regionalen und plurilateralen Organisationen und Akteuren (wie EU, AU, ASEAN und bspw. den G20) an. Eine bessere Verzahnung zwischen der UN in New York und den internationalen Finanzinstitutionen wie IWF und Weltbank in Washington könnte beide Organisationen stärken und die Wirksamkeit der Post-Pandemie-Programme erhöhen.
Bazooka für alle? In der Corona-Pandemie gerät die internationale Kooperation unter Druck. Neben den 20 größten Industrienationen (G20), stemmen sich auch die Vereinten Nationen (UN) sowie der Internationale Währungsfonds IWF gegen den Trend.
leitet das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Madrid. Zuvor war sie Leiterin des Referats Forum Politik und Gesellschaft in Berlin und Leiterin der Büros in New York, Chile, Indien und Türkei.