International

Warum Albaniens Zukunft sozialdemokratisch ist

In Albanien sorgt die junge sozialdemokratische Partei LSI für Aufsehen. Nach der Parlamentswahl im kommenden Jahr könnte sie mit Ilir Meta den Ministerpräsidenten stellen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Parteijugend.
von Martin Hackbarth · 7. September 2016
Ilir Meta, Vorsitzender der albanischen LSI
Ilir Meta, Vorsitzender der albanischen LSI

Nach dem Sturz des albanischen Kommunismus zu Beginn der 90er Jahre und der Entwicklung des neoliberalsten Staates auf dem Balkan, boomten in diesem kleinen Land der Kapitalismus und vielerorts die Korruption. Während in der Diktatur, bis auf die politische Kaste, alle arm waren, so werden heute wenige Reiche immer Reicher. Rund 60 Prozent der albanischen Jugendlichen wollen Albanien daher aufgrund der Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit verlassen. 96 Prozent der Jugendlichen glauben, dass nicht sie für ihre Jobwahl verantwortlich sind, sondern irgendjemand anderes. 80 Prozent sehnen sich nach einem sozialen Wohlfahrtsstaat nach sozialdemokratischen Modell.

Kleines Land mit großem Potenzial

Viele Albaner sind gar stolz darauf Albaner zu sein, aber doch nicht glücklich in Albanien zu leben. Das Vertrauen in den Staat und die Politik sind schwer angeschlagen. Die Sozialisten und Demokraten werden oftmals nur noch anhand ihrer Parteifarben als „Rot“ oder „Blau“ bezeichnet, da viele kaum noch Unterschiede zwischen den beiden Parteien bemerken. Dennoch hat das Land viel Potential. Dieses Potential findet sich auf politischer Ebene in der 2004 gegründeten Lëvizja Socialiste për Integrim (Sozialistische Bewegung für Integration, LSI) und ihrer Jugendorganisation (LRI) wieder.

Die LSI, die aus einer Abspaltung von den Sozialisten hervorgegangen ist, hatte 2009 noch vier Sitze im Parlament. Seit 2013 sind es 16. Sie ist damit die drittgrößte Fraktion. Bei der Wahl im kommende Jahr könnte die LSI zweitstärkste Kraft werden und mit Ilir Meta den Ministerpräsidenten stellen. Meta ist seit der Parteigründung 2004 Vorsitzender und scheint tatsächlich daran interessiert zu sein, Albanien in einen demokratischeren, rechtsstaatlichen, europäischen und sozialen Umbruch zu führen. Mit Sicherheit ist er kein Vorzeigesozialist und hat auch Makel, zumal auch er die Politik der letzten Jahre mitgetragen hat. Dennoch spendet die Partei Hoffnung und zeigt sich engagiert. Fast die Hälfte der Mitglieder gehört der Jugendorganisation an. Sie treiben sie Partei voran und denken europäisch. Sie sind es, die sich die Zukunft nicht wegnehmen lassen, sondern selbst mitentscheiden wollen.

Die Jugend entwickelt die Partei weiter

Meta kommt an dieser Jugend nicht vorbei und er weiß sie auch zu nutzen. Im Parteivorstand sitzen junge Menschen. Einige der 16 Abgeordneten kommen aus der Jugendorganisation. Zudem hat sie auch einen großen Anteil kommunaler Mandate inne. Meta investiert viel in die Jugendorganisation und das auch buchstäblich. Die Jugend unterstützt ihn, bildet sich fort, ist dabei aber nicht kritiklos und entwickelt die Partei weiter. Sie ist zu einem großen Teil dafür verantwortlich, dass die LSI zurzeit so erfolgreich ist. Die Jungen Menschen wollen das Land nicht verlassen, sondern nehmen viele Risiken auf sich und wollen ein soziales und demokratischeres Albanien schaffen.

Die Sehnsucht danach ist groß: In den 90er und 2000er Jahren hatte sich Albanien zu einem neoliberalen Musterbeispiel auf dem Balkan entwickelt, der vielerorts zum Verfall wichtiger sozialer Strukturen führte. Das Credo war: Wenn wir das Gegenteil des früher herrschenden Kommunismus praktizierten, dann ist dies gut. Die Privatisierung der Schulen, das Aufbrechen landwirtschaftlicher Strukturen, die Verhinderung gemeinschaftlicher Gefühle und eines kümmernden Wohlfahrtsstaates – all das gehörte in Albanien lange Zeit zum politischen Mainstream.

Die Versöhnung des Staates mit seinen Bürgern

Mit dieser Politik zu brechen, würde Albanien nicht zurück in den Kommunismus führen. Der Bruch mit dem Antikommunismus wäre nichts anderes als eine sozialdemokratische Politik, die weder von den Sozialisten, noch von den Demokraten kam. Der Bruch mit dem Antikommunismus wäre auch eine Versöhnung des Staates und der Politik mit seinen Bürgern. Er könnte auch der notwendige soziale und europäische Umbruch sein.

Wenn Albanien dies schafft, dann könnte eine sozialdemokratische Zukunft hereinbrechen. Und wenn dies geschehen ist, dann öffnet die EU von allein ihre Tore und winkt Albanien herein. Die LSI und LRI werden hierbei die tragenden Rollen spielen. Und so werden wohl bald Personen wie Kejdi Mehmetaj (23 Jahre alt und Mitglied des Parlamentes) oder Kristi Xharau (19, Internationaler Sekretär) das albanische Ruder in der Hand halten.

Autor*in
Martin Hackbarth

ist Jugendbildungsreferent der Jusos Mecklenburg-Vorpommern.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare