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Wahlkampf in Frankreich: Sozialistin Anne Hidalgo will Macron beerben

Es ist offiziell: Anne Hidalgo, seit 2014 Bürgermeisterin von Paris, bewirbt sich im kommenden Jahr für die Partei der Sozialisten (PS) um das Amt des Präsidenten der Republik Frankreich.
von Kay Walter · 15. September 2021
Will Präsidentin Frankreichs werden: Die Sozialistin Anne Hidalgo.
Will Präsidentin Frankreichs werden: Die Sozialistin Anne Hidalgo.

Lange hatte sich Hidalgo geziert. Vor ihrer Wiederwahl als Bürgermeisterin der französischen Hauptstadt hatte sie mantra-artig wieder und wieder erklärt, nicht ins Rennen um das höchste Staatsamt eintreten zu wollen. Nun also doch. Zu überzeugend hatte sie die Kommunalwahlen im vorigen Jahr gewonnen. Viele in der PS haben sie daraufhin gebeten und gedrängt. Wenn überhaupt, dann habe nur sie eine Chance. Jetzt tritt sie an, will Frankreichs erste Präsidentin werden.

Hidalgos Ziele: Bildung, Umwelt, Respekt

„Ich bin Kandidatin, um unseren Kindern, all unseren Kindern eine Zukunft zu bieten. Ich will, dass alle Kinder Frankreichs dieselbe Chance bekommen, die auch ich bekommen habe“ erklärte Hidalgo bei der Vorstellung ihrer Kampagne in Rouen. Die Hauptstadt der Normandie war von den Parteistrateg*innen weniger wegen ihrer Schönheit ausgewählt worden, als vielmehr mit dem Hintergedanken, Hidalgos Image als „reine Pariserin“ aufzubrechen. Neben Bildung kündigte sie für ihren Wahlkampf zwei zentrale Themen an: Umweltschutz und Respekt. Ein Fünfjahresplan zur Abkehr von fossilen Brennstoffen sei ebenso nötig wie die Verhandlungen über höhere Löhne: „Wir müssen den ökologischen Wandel schaffen“ und „wir müssen der Geringschätzung ein Ende setzen und stattdessen wieder mehr Respekt füreinander zeigen“.

Letzteres eine Breitseite für den amtierenden Präsidenten, der zu sehr wirtschaftslastig sei und zu wenig die Sorgen der Menschen auf dem Land kenne und beachte. Ansonsten ist das um Ökologie erweiterte, klassisch sozialdemokratische Programm von Chancengleichheit und Gerechtigkeit Anne Hidalgo, der in Spanien geborenen Tochter eines Arbeiters und einer Näherin, quasi auf den Leib geschrieben. Das ist glaubwürdig, denn sie verkörpert die Themen regelrecht. Zudem präsentierte Hidalgo mit den Bürgereister*innen von Rouen (Nicolas Mayer-Rossignol), Nantes (Johanna Rolland) und Montpellier (Michael Delafosse) ein interessantes Team.

Tatsächlich tritt der PS ausnahmsweise ziemlich geschlossen auf: Oliver Faure bleibt Parteivorsitzender und unterstützt die Kandidatur Hidalgos. Man kann davon ausgehen, dass es beiden auch gelingen wird, Parteimitglied und Ex-Agrarminister Stephane Le Foll von seiner Kandidatur abzuhalten. Erst recht hilfreich wäre es, dem Exgenossen und Ex-Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg dessen bereits erklärte Kandidatur auszureden. Damit hätten die Sozialist*innen dann ein Alleinstellungsmerkmal.

Die Rechten, ob nun die bürgerlich Konservativen oder die Rechtsradikalen Marine Le Pens zerlegen sich derzeit selbst mit Kampfkandidaturen. Der frisch gewählte Vorsitzende des Rassemblement National Jordan Bardella keilte jüngst gegen den rechtsradikalen Konkurrenten seiner Chefin, den Ex-Journalisten Eric Zemmour, dieser „schmarotze in der Wählerklientel von Le Pen und schade der gemeinsamen Sache“. Das bürgerlich-Rechte Lager bezeichnete er wörtlich als „toten Stern, der unterdessen mehr Kandidaten als Unterstützer“ habe.

Hidalogs Chance: Vereinen gegen zersplitterte Rechte

Dass sich neben Emmanuel Macron – der Präsident wird sicher antreten, auch wenn er sich noch nicht erklärt hat – aller Voraussicht nach zwei Rechtsradikale und mindestens eine weitere Rechte Person um das Amt des Staatspräsidenten bewerben kann für die Linke nur gut sein. Allein, sie müsste deutlich geschlossener auftreten als das derzeit der Fall ist.

Aktuelle Wahlprognosen messen für Anne Hidalgo Werte von 8 bis maximal 10 Prozent. Selbst das wäre für den PS ein besseres Ergebnis als beim letzten Mal, aber Hidalgo müsste diese Zahlen schon mindestens verdoppeln, um überhaupt eine geringe Chance zu haben, den zweiten Wahlgang zu erreichen. Nur Macron kann sich einigermaßen sicher sein, im ersten Wahlgang die circa 25 Prozent  Stimmen zu erhalten, derer es wohl bedarf, um in die Stichwahl zu kommen.

Aber die Linke ist eben nicht einig. Jean-Luc Mélenchon wird, wie 2012 und 2017, auf jeden Fall antreten und die Linke spalten. Auf eine gemeinsame Liste aller Linken einschließlich der Grünen angesprochen, antwortete der trotzkistische Selbstdarsteller „selbstverständlich gerne – unter meiner Führung“. Und damit war das Thema vom Tisch. Die Grünen klären unterdessen in Vorwahlen, welche der 5 Anwärter*innen für sie antreten soll. Beste Chancen haben wohl der Bürgermeister von Grenoble Éric Piolle und der Europa-Abgeordnete Yannick Jadot. Beide Spitzengrünen könnten sich eine gemeinsame linke Liste durchaus vorstellen, nur gehen sie beide auch davon aus, mehr Stimmen erreichen zu können als Hidalgo. Am Ende könnten so alle scheitern, und das ist nicht eben unwahrscheinlich.

Kämpferin mit langem Atem

Für Hidalgo spricht: Sie kann kämpfen. Am Beginn einer Kampagne galt sie häufig (wenn nicht immer) als nicht besonders aussichtsreich – am Ende hatte sie immer gewonnen. Sie kann integrieren: Bei beiden Wahlen zur Pariser Bürgermeisterin war sie schlussendlich Spitzenkandidatin einer linken Einheitsliste von PS, Kommunisten und Grünen. Und Hidalgo kann Menschen begeistern und mitnehmen – in ihrer ersten Amtszeit hieß es in Bezug auf Radwege und Stadterneuerung oft, alles ginge viel zu langsam, sei zu wenig konsequent. Jetzt unterstützt die große Mehrheit der Pariser Bürger*innen ihre Verordnung, Tempo 30 im nahezu gesamten Stadtgebiet durchzusetzen. Die Pilotprojekte wie zum Beispiel die verkehrsberuhigten Seine-Ufer haben überzeugt.  

Die neue Aufgabe ist allerdings noch erheblich größer. Will Hidalgo mehr erreichen als nur einen Achtungserfolg muss sie an vielen aussichtsreicheren Kandidat*innen vorbeiziehen.

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