Wahl in Südkorea: Regierungspartei punktet mit Corona-Krisenmanagement
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Bei den Parlamentswahlen in Südkorea hat die linksliberale Demokratische Partei von Präsident Moon Jae-In einen hohen Wahlsieg errungen. Zusammen mit ihrer kleineren Schwesterpartei, der Gemeinsamen Bürgerpartei, gewann sie 180 von insgesamt 300 Sitzen im Parlament. Mit 60 Prozent der Sitze verfügt sie damit über eine komfortable absolute Mehrheit. Die konservative Opposition um die Vereinigte Zukunftspartei kam nur auf 103 Sitze. Ihr Vorsitzender Hwang Kyo-Ahn kündigte bereits seinen Rücktritt an. Kleinere Parteien und unabhängige Kandidaten erreichten 17 Sitze. Die Wahlbeteiligung lag bei 66 Prozent, der höchste Wert seit 28 Jahren. Befürchtungen, dass wegen der Corona-Epidemie weniger Menschen an den Wahlen teilnehmen würden, haben sich damit nicht bestätigt.
Corona-Epidemie überschattet Wahlkampf
Das Wahlergebnis verdeutlicht, wie sehr die Corona-Epidemie politische Schicksale bestimmt. Noch vor wenigen Monaten hatte sich die konservative Opposition gute Chancen auf einen Wahlsieg ausgerechnet. Präsident Moon war angesichts der schwachen Konjunktur, politischer Skandale um seinen Justizminister und ausbleibender Erfolge in seiner Annäherungspolitik gegenüber Nordkorea politisch unter Druck geraten. In den Umfragen waren seine Zustimmungswerte zwischenzeitlich auf unter 40 Prozent gefallen. Doch im Zuge der Corona-Epidemie wendete sich das Blatt.
Durch umfangreiche Tests, eine detaillierte Nachverfolgung der Infektionsketten, den Einsatz von Corona-Tracking-Apps und eine breit angelegte Kampagne für soziale Distanz gelang es der Regierung, die Epidemie in den Griff zu bekommen und das Vertrauen der Wähler*innen zurückzugewinnen. Die Anzahl der täglichen Neuinfektionen sank kontinuierlich und lag in den Tagen vor den Parlamentswahlen bei unter 30. Insgesamt wurden landesweit bisher 10.600 Infektionsfälle registriert. Da die Ausbreitung des Virus relativ schnell eingedämmt werden konnte, mussten bisher keine Ausgangsbeschränkungen verhängt oder Geschäfte geschlossen werden. Das öffentliche Leben wurde zwar runtergefahren, ist aber nicht zum Erliegen gekommen. In den internationalen Medien erfuhr Südkorea dafür hohe Anerkennung und wurde als Vorbild bei der Bekämpfung der Epidemie gelobt.
Im Wahlkampf überdeckte die Corona-Krise die traditionellen Wahlkampfthemen, die normalerweise im Vordergrund stehen, wie Korruption oder die Beziehungen zu Nordkorea. Das erfolgreiche Krisenmanagement der Regierung bestimmte die Schlagzeilen und schlug sich auch in den Meinungsumfragen nieder. Die Zustimmungswerte für Präsident Moon stiegen kontinuierlich und erreichten in der letzten Umfrage vor den Wahlen 55 Prozent, den höchsten Wert seit November 2018. Auch die Regierungspartei legte in den Umfragen deutlich zu. Vieles deutete somit auf einen Wahlsieg der Demokratischen Partei hin. Die Höhe des Wahlerfolges war jedoch für alle überraschend. Mit einem derart überwältigenden Wahlsieg hatte niemand gerechnet.
Stimmabgabge auch in Quarantäne
Die Parlamentswahlen in Südkorea haben große internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen, da es die ersten landesweiten Wahlen waren, die aufgrund der Corona-Epidemie unter erschwerten Bedingungen stattfanden. Südkorea hat bewiesen, dass Wahlen auch in Zeiten von Covid-19 reibungslos durchgeführt werden können. Aufgrund der Epidemie wurden für den Prozess der Stimmabgabe allerdings umfassende Vorsichtsmaßnahmen getroffen: Um das Risiko einer Ansteckung zu verringern, mussten die Wähler*innen in den Wahllokalen Abstandsregeln einhalten, Hände desinfizieren, Atemschutzmasken tragen und vor der Stimmabgabe Einweghandschuhe überziehen. Zudem fanden vor den Wahllokalen Fiebermessungen statt. Wurde eine erhöhte Temperatur gemessen, wurden die Wähler*innen zu einer speziellen Kabine geleitet, die nach der Stimmabgabe desinfiziert wurde.
Auch Personen, die sich derzeit in (Selbts-)Quarantäne befinden (z.B. aus dem Ausland zurückkehrende Koreaner) konnten ihr Wahlrecht ausüben. Sie hatten die Möglichkeit, entweder per Briefwahl abzustimmen oder ihre Quarantäne kurzzeitig zu unterbrechen und ihre Stimme nach der offiziellen Schließung der Wahllokale um 18 Uhr in desinfizierten Wahlkabinen abzugeben. Bewährt hat sich auch die Möglichkeit zur frühzeitigen Stimmabgabe. Im Rahmen des sogenannten early voting konnten die Wähler*innen bereits am vergangenen Freitag und Samstag in mehr als 3.500 Wahllokalen ihre Stimme abgeben. Etwa ein Viertel der Wahlberechtigten machte von dieser Möglichkeit Gebrauch, um größere Menschenansammlungen am Wahltag zu vermeiden.
Absolute Mehrheit für Präsident Moon Jae-In
Die Demokratische Partei war zwar auch schon zuvor stärkste Kraft im Parlament, verfügte aber nicht über eine Mehrheit. Viele Gesetzesvorhaben konnten daher bisher von der Opposition blockiert werden. Präsident Moon Jae-In, der derzeit knapp drei Jahre seiner fünfjährigen Amtszeit absolviert hat, wird seine politischen Vorhaben nun energischer vorantreiben können, zum Beispiel die geplante Reform der Strafverfolgung und die Schaffung einer neuen Anti-Korruptionsbehörde. Der Fokus wird aber zunächst weiterhin auf der Eindämmung des Coronavirus liegen. Schulen und Universitäten sind nach wie vor geschlossen, da die Regierung einen Wiederanstieg der Infektionen befürchtet, wenn Beschränkungen zu früh gelockert werden. Sollte die Anzahl der Neuinfektionen allerdings weiterhin auf niedrigem Niveau bleiben, erscheint eine baldige schrittweise Wiedereröffnung der Schulen und Universitäten möglich.
Um die Wirtschaft zu stützen, hat die Regierung bereits mehrere Hilfspakete auf den Weg gebracht. Sie hofft zudem, dass der wirtschaftliche Einbruch in Südkorea nicht ganz so gravierend sein wird wie in Europa oder den USA. Prognosen gehen derzeit von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 1,2 Prozent aus. Wichtig wird es vor allem sein, die sozialen Folgen der Krise abzufedern, denn die sozialen Sicherungssysteme sind in Südkorea unterentwickelt. Die Regierung hat daher bereits eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, um einkommensschwache Familien und irregulär Beschäftigte, die sozial nicht abgesichert sind, zu unterstützen.